Die Macht der Bilder macht spendabel

■  Menschenrechtsfragen spielen weder bei Spendern noch Hilfsangeboten eine Rolle, meint die Sprecherin von Care-Deutschland, Yvonne Ayoub

taz: Machen sich die Hilfsorganisationen nicht ungewollt zu Handlangern der Kriegsparteien? Zumindest Miloevic darf sich die Hände reiben. Er ist gewiß, daß am Ende der blutigen Vertreibung die Hilfsorganisationen stehen.

Yvonne Ayoub: Wo Menschen in Not sind, wird etwas getan. Das ist der Ansatz von Care. Egal, wem das nützt oder schadet. Care ist in dem Sinne eine unpolitische Organisation. Wir sind in Makedonien aktiv, in Albanien. Aber auch in Jugoslawien. Wir haben dort im vergangenen Jahr serbische Flüchtlinge betreut, die aus Bosnien fliehen mußten. Ich sehe nicht, daß wir uns vor irgendeinen politischen Karren spannen lassen. Bei der Frage, ob wir nicht Miloevic in die Hände spielen, kann ich nur gegenfragen: Was ist die Alternative für NGOs, regierungsunabhängige Organisationen, wie Care? Sollen wir die Leute verrecken lassen? Natürlich sagt Miloevic zu den Vertriebenen: Die Nato wird euch helfen. Wir helfen schlichtweg dem, der Hilfe benötigt.

NGOs können politisch bei ethnischen Konflikten nichts bewirken? Präventive Flüchtlingsarbeit ist nicht möglich, ebensowenig wie eine Friedens- und Menschenrechtspolitik?

Die Antwort ist schwierig. Jede NGO hat unterschiedliche Ansätze. Bei jeder einzelnen muß man fragen: Wie lautet ihr Mandat, ihr Auftrag? Care hat den Auftrag, Soforthilfe zu geben, egal, auf welcher Seite die Leute stehen. Wenn wir eine Organisation wären, die durch den Kosovo-Krieg sagen müßte: Wir können unseren Auftrag nicht mehr erfüllen, dann würde sich diese Frage stellen.

Seit dem Kosovo-Krieg wissen wir, daß die Deutschen gerne und viel spenden. Heißt das, daß sie nun verstärkt hinter den politischen Zielen der NGOs – Verwirklichung von sozialer Gerechtigkeit, menschenwürdiges Leben, die Beseitigung der Ursachen von Gewalt – stehen?

Nein, es ist die Macht der Bilder, die spendabel macht. Und der Krieg ist mitten in Europa. Deswegen regt sich diese tiefe emotionale Betroffenheit. Diskussionen um Menschenrechtsverletzungen spielen weder bei den Spendern noch bei den Hilfsangeboten eine Rolle.

Kann eine NGO da noch eigenes politisches Profil bewahren?

Care hat sich zur Aufgabe gemacht, in Notlagen einzugreifen. Da spielen die Ursachen keine Rolle. Wir wollen den Menschen aber auch langfristig helfen, falls sie wieder in das Kosovo zurückkommen können.

Da unterscheidet sich Care nicht von den großen Hilfsorganisationen wie dem DRK.

Das sage ich ja auch gar nicht. Allerdings bekommen die Großen, wie Caritas oder das DRK, die viel Medienpräsenz haben, den größten Teil der Spenden ab. Denen werden die Millionen förmlich auf die Konten gespült. Die Kleinorganisationen, die keine publikumsträchtigen TV-Auftritte hinkriegen, stehen schnell im Abseits und bekommen wenig vom Spendenkuchen ab.

Warum der Neid? Cap Anamur zählt doch auch zu den Kleinstorganisationen und ist bei der Spendenakquise derzeit sehr erfolgreich.

Die haben einen guten Draht zu den Medien. Aber sie stehen womöglich vor einem großen Problem: Wie kann bei einer kleinen Organisation das Geld schnell abfließen?

Ist das so wichtig? Die 750.000 vertriebenen Kosovo-Albaner werden doch über Jahre noch auf die Hilfe der Organisationen angewiesen sein. Da müssen die Spenden von heute langfristig verplant werden.

Wenn die das hinbekommen, ist es ja gut.

Wie lange wird es anhalten, daß die Deutschen für die Kosovo-Albaner spenden?

Genau kann man das nicht abschätzen. Ich befürchte, wenn die Fernsehbilder sich abnützen, gehen die Spenden zurück.

Interview: Annette Rogalla