Dienen, immer dienen

■ Ab Sonntag erzählt der Regisseur Frank Hoffmann Richard Wagners „Fliegenden Holländer“ als abstrakte Geschichte einer unmöglichen Liebe

Der Luxemburger Frank Hoffmann inszeniert zur Zeit am Bremer Theater Richard Wagners geniale frühe Oper „Der fliegende Holländer“, Das 1843 uraufgeführte Werk führt in ein gnadenlos romantisches Sujet: Der durch einen Fluch durch die Weltenmeere irrende Holländer wird alle sieben Jahre an Land gespült und erst erlöst, wenn er eine bedingungslos treue Frau findet. Mit Senta, der Tochter des Kapitäns Daland, hätte er fast die Chance. Doch indem er ein Gespräch, das Senta mit ihrem fast Verlobten Erik führt, mißversteht, treibt es ihn wieder hinaus, und Senta ist bereit, sich umzubringen. Der Regisseur der Bremer Inszenierung, Frank Hoffmann, hat im Theater am Goetheplatz „Hofmanns Erzählungen“ von Jacques Offenbach, Mozarts „Idomeneo“ und Battistellis „Die Entdeckung der Langsamkeit“ mit großem Erfolg inszeniert. Den „Fliegenden Holländer“ dirigiert Rainer Mühlbach.

taz: Herr Hoffmann, Sie sind in ihren Inszenierungen nicht durch gewaltsame Aktualisierungen aufgefallen, sondern durch sehr vorsichtige, aber klare Benennungen psychologischer Sachverhalte. Ich erinnere mich, daß Sie in Mozarts „Idomeneo“ einen klassischen Vater-Sohn-Konflikt offengelegt haben. Was ist für Sie am „Fliegenden Holländer“ aktuell oder aktualisierbar? Erlösung durch eine Frau, wie es Wagners Lebensidee war? Das kann's doch nicht sein, oder?

Frank Hoffmann: Vielleicht kann man auf diesen Begriff einmal einen neuen Blick werfen. Heute ist selbst die Liebe den Kategorien von Nutzen und Schaden unterworfen, die Menschen funktionalisieren sich. Diese Menschen, der Holländer und Senta, haben eine Sehnsucht, eine Leidenschaft, die den Alltag sprengt. Ich halte das für eine realistische Oper insofern, als Wagner unglaublich genau in der Beschreibung einer unmöglichen Liebe ist und sie scheitern läßt.

Dann würden Sie sagen, der Holländer ist eine reale Gestalt, nicht ein Wahngebilde der Senta, in das sich das Mädchen wegen der Spießigkeit ihres Zuhauses einspinnt?

Ja. Sie kann – aus welchen Gründen auch immer, wir erfahren sie nicht – in dieser Welt nicht leben. Sie weiß, der kommt. Als er da steht, weiß sie, daß der das ist. Aber es ist natürlich auch eine Projektion.

Das klingt so idealistisch. Wagners „Erlösungs“-Bild war doch gerade, die Frauen für seine Zwecke zu gebrauchen, und seine letzte Frauengestalt in „Parsifal“, Kundry, geht im „Dienen, immer dienen“ auf.

Das stimmt, aber das ist kein Widerspruch. Für mich ist wichtig, daß Wagner eine wahnsinnige Sehnsucht und Leidenschaft zeigt und sie scheitern läßt.

Wir sind da eher bei einer generellen Interpretation. Was wollen Sie, Frank Hoffmann, denn erzählen?

Mich interessiert: Die größte Leidenschaft ist nicht zu leben. Wenn man so viel voneinander will, wie diese beiden, dann muß das in der Fantasie bleiben – und das zeigt die Musik. Sie ist ein so atemberaubend kraftvoller Gegenentwurf zur Welt.

An der Musik fallen mir gerade in dieser Oper die unterschiedlichen Räume und Atmosphären auf: Daland, Senta, der Holländer und Erik – alle verschieden und meist haben sie nichts miteinander zu tun.

Ja. Ich erzählte ja schon einmal, daß mir die Musik sehr hilft, einen Raum zu präzisieren – was man im Schauspiel immer selbst erfinden muß. Der komische Alltag des Daland, der etwas herb-tumbe des Erik und dann die hymnische Musik der Senta und des Holländers – einen größeren Kontrast kann man sich nicht vorstellen. Und Wagner ist auch sehr komisch, in der Partie des Daland zum Beispiel.

Noch einmal Daland: Er verkauft seine Tochter, auf einen derart potenten Schwiegersohn hat er schon lange gewartet.

Nein, es ist viel komplexer. Er liebt seine Tochter auch. Wie Wagner seine Ratlosigkeit darstellt: Es ist lächerlich und rührend, wie er keinen Draht zu Sentas Wirklichkeit findet.

Die Story ist eine alte Sage, die Wagner nach biographischen Erlebnissen – er war auf der Flucht vor Gläubigern – an der norwegischen Küste ansiedelt. Wo und wie spielt das Stück bei Ihnen?

Es ist vollkommen abstrakt – und eigentlich ist nur Senta präsent – sie schaut zurück auf ihr Leben.

Ute Schalz-Laurenze

Premiere am Sonntag, 25. April, um 19.30 im Theater am Goetheplatz