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Nur ein kleiner Hüpfer in eine bessere Zukunft

■  JUMP, das Sofortprogramm der Regierung zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, hält nicht ganz, was es verspricht

Der schwarze Ordner wird immer dicker. Trotzdem sortiert der 21jährige Julien Monat für Monat die Absagen seiner Bewerbungsunterlagen ein, obwohl er dies gar nicht mehr bräuchte. Vor knapp zwei Jahren schaffte er mit einiger Mühe seinen Realschulabschluß, bewarb sich bei Firmen als Tischler und mußte sich einreihen in die Reihe von 34.683 anderen Jugendlichen, die auf der Suche nach einem geeigneten Ausbildungsplatz waren. Weitere 50.770 sind als arbeitslos registriert.

Anfang dieses Jahres kam dann für viele der überraschende Brief vom Arbeitsamt. Auch Julien erhielt am 28. Januar jene freudige Botschaft.

JUMP – Jugend mit Perspektive, wie sich das Sofortprogramm betitelt, bot ihm eine ABM-Stelle als Hilfsarbeiter in Haustechnik. „Obwohl es nicht wirklich meinem Tischlerwunsch entsprach, war ich dann doch ganz gespannt“, erinnert sich Julien an sein Einstellungsgespräch. „Uns wurde nämlich versprochen, in verschiedene Bereiche und Betriebe reinschauen zu dürfen. Unter anderem auch in eine Tischlerei“, sagt er

Inzwischen ist er seit zwei Monaten dabei. Und tatsächlich konnte er auch schon in eine Tischlerei schauen. Nur daß diese seit Ewigkeiten nicht mehr genutzt wurde und die Tätigkeit dabei hauptsächlich im Entrümpeln bestand.

„Wir legen darauf Wert, daß die Jugendlichen bei uns ihre Stärken und Vorlieben entdecken“, meint Petra Dworatzek von der Bildung in Berlin GmbH, Träger dieser Maßnahme. „Und bisher sind alle auch hochmotiviert.“

Stärken und Vorlieben im Entmüllen alter Fabrikhallen? Von der anfänglichen Motivation ist auch bei Julien nicht mehr viel übrig geblieben. „Eigentlich schaue ich nur noch auf die Uhr und warte darauf, daß die Zeit vergeht. Denn selbst wenn ich wirklich arbeiten wollte, gibt es kaum etwas Sinnvolles zu tun.“

Neben dem praktischen Arbeiten sollte die Theorie eine zweite Säule dieser Qualifikations-ABM bilden. Von dem ursprünglich einwöchigen Unterricht sind immerhin noch knapp zwei Tage alle zwei Wochen übrig geblieben. Und selbst diese scheinen überflüssig zu sein.

„Einmal saßen alle nur vor Computerspielen, da bin ich dann einfach gegangen“, berichtet Julien. Petra Dworatzek ist von dem geschrumpften Schulpensum bisher nichts bekannt.

Ist das Versprechen der 100.000 Lebenschancen, wie Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, es selbstbewußt nennt, doch etwas zu hoch gegriffen? „Die Gefahr, daß die Qualität der Quantität hinterherhinkt, würde mich nicht wundern“, meint Sybill Klotz von Bündnis 90/Die Grünen. „Da das Sofortprogramm sehr schnell umgesetzt werden mußte, wurden auch entsprechend viele Bildungsträger benötigt. Und diese wurden nur mager auf Qualität geprüft.“

Louis Kaufmann hingegen von Lowtec, einem weiteren Bildungsträger, findet das Beispiel von Julien „nicht typisch“. Denn „eigentlich muß jeder Träger seine Maßnahme mit exakten Inhalten beim Arbeitsamt beantragen“, so Kaufmann, „und diese auch entsprechend umsetzen“.

Das größere Manko sieht er vielmehr darin, daß die finanziellen Mittel für solche Maßnahmen auf ein Jahr begrenzt sind.„Weniger Geld auf Dauer wäre mir weitaus lieber“, so Kaufmann. Auch Brigitte Kahan bekräftrigt dies mit dem Hinweis, daß das Sofortprogramm keine wirklichen Jobs beziehungsweise Ausbildungsplätze bieten kann. „Wir müssen die jungen Menschen nach diesem Jahr dort abgeben, wo wir sie abgeholt haben.“

Als Sozialpädagogin betreut sie Jugendliche in verschiedensten Maßnahmen bei Lowtec. Unter anderem auch Elisabeth. Sie möchte das Jahr vor allem zum Nachholen ihres Hauptschulabschlusses nutzen. Da sie jedoch aus Polen kommt, bilden Sprachbarrieren große Schwierigkeiten. „Ich habe Angst, daß ich den Abschluß nicht schaffe. Und dann habe ich halt einfach Pech gehabt, wurde mir gesagt.“ Also doch keine wirklichen Perspektiven, wie es das Kürzel des Sofortprogramms verspricht? „Was wir den jungen Menschen geben können“, so Kahan weiter, „ist ein wenig Orientierung und dadurch hoffentlich ein kleines Stückchen Motivation.“

Katrin Chalotta

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