Razziaartige Manöver

■ Münchner Anwohnerinitiative will nicht mehr in der Belgradstraße wohnen

Für viele Deutsche liegt München schon halb auf dem Balkan. Ganz so unrecht haben sie nicht, denn die geographische Nähe zu Südosteuropa hat sich im Weichbild der Weißwurstmetropole nachhaltig niedergeschlagen. Straßennamen wie Banat-, Budapester- oder Belgradstraße sind dem Münchner so geläufig wie Gassenfleckl, Hofbräuallee, Paulanerplatz oder Ostmarkstraße.

Unter dem Eindruck des Balkankriegs meint nun aber eine „Aktionsgemeinschaft sauberes Schwabing“, die altehrwürdige Belgradstraße umbenennen zu müssen. „Wir Schwabinger Bürger wollen nicht in einer Straße wohnen, deren Namen von einem der menschenverachtendsten Despoten des ausgehenden 20. Jahrhunderts besudelt wurde“, meint Xaver Meislinger, der Sprecher der Initiative, mit grimmiger Miene. „Wir wollen nicht länger ein Propagandainstrument des Balkan-Saddams sein. Deshalb fordern wir die Umbenennung der Belgradstraße in Rohrdommelstraße. Das hat doch was wunderschön Frühlingshaftes.“ Der Bezirksausschuß scheint dem naturverbundenen Namensvorschlag nicht abgeneigt zu sein. Gerade jetzt, wo die ersten Kosovo-Flüchtlinge in Bayern einquartiert werden, sei eine Belgradstraße politisch kaum mehr vermittelbar. „Wir prüfen das“, heißt es denn auch aus dem Münchner Rathaus. Doch die Mühlen der Behörden mahlen dem tatkräftigen Vorsitzenden Xaver Meislinger zu langsam. „Bis das im Rathaus durch ist, schweigen die Waffen doch längst. Und wir wohnen dann weiterhin in der Belgradstraße. Deshalb ist unsere Devise: Schmiede das Eisen, solange es heiß ist!“ So viel Blech kann Meislinger kaum reden, wie er da zu verarbeiten hätte, denn die Belgradstraße ist lang: massenhaft Straßenschilder also zu Pflugscharen – oder vielleicht doch besser zu Schwertern, für den Bodenkrieg?

Meislinger jedenfalls könnte sich einen Einsatz auf dem Balkan durchaus vorstellen. Seine Ortskenntnisse sind von unzähligen Autoput-Durchquerungen immer noch hervorragend. „Auf dem Weg nach Griechenland hab' ich mich in 20 Jahren kein einziges Mal verfahren.“ Beste Voraussetzungen also – bis der energische Mittvierziger aber eine „schlagkräftige Truppe beieinander“ hat, setzt er erst mal den Kampf an der Heimatfront fort. Und da gibt es noch einiges zu tun: Für morgen plant seine „Aktionsgemeinschaft sauberes Schwabing“ nämlich einen Großeinsatz vor Münchens „Jugoslawen“. Mahnwachen wollen vor den Restaurants aufgestellt, Boykottaufrufe gedruckt und verteilt werden. Keine leichte Aufgabe für einen treusorgenden Familienvater und hart arbeitenden Werkzeugmacher mit 12-Stunden-Tag.

Phase 2 des generalstabsmäßig angelegten Plans sieht dann die gezielte Säuberung von Münchens Lebensmitteleinzelhandelsbetrieben vor. In einem razziaartig durchgeführten Manöver wollen die Sturmtrupps der Aktionsgemeinschaft die Regale von jugoslawischen Waren befreien. Letscho, Ajvar, Paprikakonserven und Slivovitz werden dabei wohl die einfachste Übung darstellen. Das größte Problem wird sein, Tausende von Dosen mit Serbischer Bohnensuppe aus dem Verkehr zu ziehen. Für Meislinger sind sie eine Plage, vergleichbar nur mit Landminen. „Verboten gehören die! Wir verhandeln natürlich mit den deutschen Herstellern wegen einer möglichst raschen Umbenennung dieser Suppen.“ Vorerst bleibt aber nichts anderes übrig, als die vorhandenen Vorräte zumindest umzuetikettieren.

Und selbst nach dieser namenstechnischen Großrazzia bleibt immer noch genügend zu tun. „Wenn wir mit den Bohnensuppen fertig sind, kommt der Amselfelder an die Reihe. Im Grunde ein recht süffiger, vollmundiger Rotwein mit schöner Nase und langem Abgang. Aber es hilft alles nichts – auch er muß raus!“ Na denn Prost!

Rüdiger Kind