„Ich habe keine Chance“

■  Die Theologin Uta Ranke-Heinemann (71) über ihre PDS-Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten, ihre Haltung zum Kosovo-Krieg und Beschimpfungen in der Öffentlichkeit

taz: Frau Ranke-Heinemann, Sie haben sich der PDS als Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten angeboten. Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen?

Uta Ranke-Heinemann: Da könnte ich ja schon das erste Mal aus der Haut fahren. Ich soll mich der PDS angeboten haben?

Überall heißt es, das sei Ihre Idee gewesen.

Die Idee kam nicht von mir, sondern von der PDS. Ist das nicht ein Unterschied?

Doch. Aber angeblich hatte bis vorgestern kein führender PDS-Politiker mit Ihnen gesprochen.

Ich habe mich so über einen Artikel in der Welt geärgert, in dem mir unterstellt wurde, ich hätte mich bei der PDS angebiedert. Wenn das mit Ihnen jetzt so weitergeht, breche ich das Interview lieber ab.

Ich will doch nur wissen, wer die Idee hatte.

Die PDS. Irgendein Herr Dehm hat mich aus Berlin angerufen und vorgefühlt, ob ich bereit wäre, für die PDS als Bundespräsidentenkandidatin ins Rennen zu gehen.

Sie meinen Dieter Dehm, den stellvertretenden PDS-Chef.

Ja, genau, der war's. Wissen Sie, ich kenne ja keinen von denen. Also der Herr Dehm sagte mir, die Parteispitze sei im Ausland. Es könne noch nichts entschieden werden. Ich habe gesagt: Okay, wenn es ein offizielles Angebot gibt, dann mache ich es.

Und dann?

Dann rief mich Lothar Bisky am Donnerstag aus Athen an und fragte mich. Da habe ich zugesagt.

Sie wissen, daß Sie bei der Präsidentenwahl keine Chance haben. Was versprechen Sie sich von Ihrer Kandidatur?

Ich weiß, daß ich chancenlos bin. Deshalb verspreche ich mir in der Hinsicht gar nichts.

Und warum kandidieren Sie dann?

Die PDS ist die einzige Partei, die sich gegen den Krieg im Kosovo stellt. Also liegt die Partei genau auf meiner Linie. Ich habe mein ganzes Leben gegen den Krieg gekämpft. Alle anderen Parteien glauben doch, mit sogenannten humanitären Bomben das Elend der Flüchtlinge beseitigen zu können. Aber mit Bomben bewirkt die Nato nichts als Unglück. Ich möchte, daß mein Protest gegen diese Politik gehört wird.

Und deswegen müssen Sie gleich Bundespräsidentin werden wollen?

Vorher haben Sie zum Beispiel nicht bei mir angerufen und nach meiner Meinung zum Kosovo-Krieg gefragt. Sie tun das jetzt doch nur wegen meiner Kandidatur.

Man wird Ihnen Selbstdarstellung vorwerfen.

Glauben Sie im Ernst, ich sei nicht gewohnt, daß man an meinem Charakter zweifelt, wenn man keine Argumente mehr hat? Ich bitte Sie. Ich bin immer kritisiert worden. Als ich 1972 mitten im Vietnamkrieg nach Hanoi flog und ein Krankenhaus besuchte, hat man mich als „roten Engel von Hanoi“ beschimpft. Davon lasse ich mich nicht einschüchtern. Ich habe gegen 2.000 Jahre Sexualpessimismus der katholischen Kirche protestiert! Ich habe meinen Mund immer aufgemacht.

Haben Sie sonst keine Probleme mit der PDS?

Nein. Ich kenne weder das Programm der PDS noch irgendeiner anderen Partei. Ich lese keine Parteiprogramme, die interessieren mich auch nicht. Wichtig ist mir, was die Parteien tun.

Die PDS protestiert laut gegen die Nato-Bombardements, aber nur leise gegen die ethnischen Säuberungen im Kosovo.

Ich will hier nur über meine Position reden.Wie kann man denn ernsthaft glauben, daß man Flüchtlingen oder irgendwelchen anderen Menschen hilft, indem man sie bombardiert? Schauen Sie sich doch mal die SPD und die Grünen an. Die scheinen ja von allen guten Geistern verlassen zu sein. Sie sind zu Bombenwerfern mutiert.

Sie ziehen aus der deutschen Vergangenheit die Lehre, daß man einem Völkermord und Vertreibungen nie wieder tatenlos zusehen darf. Können Sie diese Position nicht verstehen?

Ich bin auch gegen Völkermord und gegen Vertreibung. Aber auf Mord mit Morden zu reagieren, das ist ein Mittel, das noch nie zu einer Therapie geführt hat.

Glauben Sie, mit Ihrem Protest gegen den Kosovo-Krieg etwas bewirken zu können?

Ich verspreche mir von meinem Protest wenig. Erfolg haben werde ich damit nicht. Aber das entbindet mich doch nicht der Pflicht, meine Stimme gegen diesen Wahnsinn zu erheben. Interview: Jens König