„Die Kakerlake will nicht mehr laufen“

■ Verschwitzte Leiber, unbarmherzige Zuschauer, kreischende Kelly-Fans und Freßbuden: Der 14. Hamburger Marathon brachte die halbe Stadt auf die trainierten und untrainierten Beine

Wenn er den Streckenrekord von 2:09:57 Stunden brechen will, hat David Ngedich jetzt noch genau vier Minuten, um vom Dammtor zum Fernsehturm zu kommen. Das ist selbst mit dem Fahrrad kaum zu schaffen, vom Auto ganz zu schweigen – bei den dauernden Staus auf der Edmund-Siemers-Allee. Ngedich schafft es zu Fuß in vier Minuten und acht Sekunden. Den Rekord hat der Kenianer damit zwar nicht überboten, aber mit einer Laufzeit von 2:10:05 Stunden immerhin den Shellmarathon gewonnen. Jubel brandet von den vollgestopften Bürgersteigen, und auch die Journaille setzt sich in Trab in Richtung Sieger.

Zu sehen gab es 16.016 ausgezehrte, verschwitzte Leiber. Um sie nicht zu verpassen, hatte sich gestern halb Hamburg auf die Beine gemacht: Rund 500.000 ZuschauerInnen säumten die 42,195 Kilometer lange Strecke, die vom Karolinenviertel über Othmarschen, Innenstadt, Barmbek, Alsterdorf, Harvestehude und wieder zum Karolinenviertel führte. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk nutzten das Event für eine Katastrophenschutzübung.

Zu Fuß, auf Inlineskates und im Rollstuhl hatten sich die LäuferInnen auf den Weg gemacht. Über 60 Nationen waren vertreten. Mit dabei: Die deutschen SpitzenläuferInnen Carsten Eich (Fürth/München) und Katrin Dörre-Heinig aus Leipzig. Sie sicherten sich mit neuen persönlichen Bestzeiten von 2:10:22 und 2:24:35 Stunden die deutsche Meisterschaft. Für einen erheblichen Teil der weiblichen Zuschauer dürfte Läufer Joey Kelly gesorgt haben, der 26jährige Gitarrist der Kelly-Family. Er gehörte allerdings nicht gerade zu den ersten.

Aber Applaus bekommen natürlich nicht nur die Sieger – auch das Mittelfeld, das sich gegen halb zwölf noch an der Außenalster entlang quält, wird angefeuert. „Lothar, Lothar“, ruft eine Gruppe Frauen gerade ekstatisch. Lothar schafft ein Lächeln. Ein Mitläufer im grünen Trikot hingegen gibt auf – das heißt, er versucht es, hat die Rechnung aber ohne die Zuschauerinnen gemacht. „Hey, nicht schlappmachen“, befiehlt eine Frau mit Tröte, „du schaffst es“. Der grüne Läufer setzt sich wieder in Trab.

Am Fernsehturm spielt der Moderator unterdessen „La Cucaracha“: „Die Kakerlake will nicht mehr laufen“, tönt es aus den Lautsprechern. Zum Glück ist der Text auf spanisch, so daß ihn keine LäuferIn krummnehmen kann. Die Mandelhörnchen und „Marathon-Burger“, die auf dem Bürgersteig angeboten werden, finden nicht gerade reißenden Absatz. Wer mag sich schon den Bauch mit Dickmachern vollstopfen, wenn er von durchtrainierten Rennmaschinen umgeben ist? „Mann, ist der fit“, staunt ein älterer Mann in der hinteren Reihe über den fünften Sieger, „der gibt gleich Interviews, als ob nichts war.“ Wo doch unsereins schon schnauft, wenn es gilt, den Bus noch zu bekommen.

Kleiner Trost: In zwei Stunden und zehn Minuten einmal durch Hamburg – das schafft man sogar mit dem HVV. Heike Dierbach

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