Zeitarbeit: Abzocke oder Chance?

■ Immer mehr BremerInnen arbeiten für Zeitarbeitsfirmen / Arbeitsamt sieht Verleiher als gleichgestellte Stellenanbieter

„Ja, die Branche boomt“, so deutlich beschreibt Ralf Seyfert von der Firma Randstad das Geschäft mit der Zeitarbeit. In Bremen und Niedersachsen arbeiteten im Monat Dezember 1996 etwa 18.000 Menschen bei Zeitarbeitsfirmen und wurden an andere Betriebe ausgeliehen. Die Zahl steigt stetig, momentan sind es ungefähr 20.000. Jetzt veranstalten Bremer Zeitarbeitsfirmen zum ersten Mal auch eine Messe, um ihre Branche zu präsentieren (vgl. rechts).

Grund für den Boom sei die hohe Arbeitslosigkeit, meint Holger Grape von der Deutschen Angestellten Gewerkschaft (DAG): „Menschen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, wenden sich viel an Zeitarbeitsfirmen“. Rund 60 Prozent aller ZeitarbeitnehmerInnen waren vorher arbeitslos, bestätigt die Firma Randstand – aber der Gang zur Zeitarbeitsfirma kann auch noch andere Gründe haben.

So jobbte Matthias Bauer* fast zehn Jahre immer wieder als Elektriker für eine Zeitarbeitsfirma – weil „man da einfach hingehen kann und nach zwei bis drei Tagen hat man einen Job. Geht man dagegen zum Arbeitsamt, passiert oft erst mal gar nichts“. Das Arbeitsamt vermittelt Arbeitslose aber auch direkt an eine der 50 bis 80 Bremer Zeitarbeitsfirmen. Denn längst betrachtet man dort „Angebote von Zeitarbeitsfirmen als ganz normale Stellenangebote“, erklärt Sprecher Jörg Nowag. „Die Arbeitslosen müssen auch zu einer Zeitarbeitsfirma wollen.“

Zeitarbeitsfirmen werben deshalb häufig damit, daß sie Arbeitslosigkeit abbauen. Schließlich stellen sie doch viele LeiharbeiterInnen unbefristet ein, so das Argument. Das Gehalt bekommen die Unbefristeten weiter, selbst wenn sie in keinem Betrieb eingesetzt sind. Bei der Angestelltengewerkschaft kommen solche Argumente aber nicht so gut an: „Trotz wachsender Zeitarbeit haben wir über vier Millionen Arbeitslose“, kritisiert Holger Grape von der DAG. Er kennt aber auch positive Beispiele wie Volker Homburg, der mit Zeitarbeit tatsächlich einen neuen Job gefunden hat: Er ist Geschäftsführer bei der Firma „ZIP Zeitarbeit“ – und erklärt den Erfolg privater Arbeitsvermittlung so: „Wenn wir eine Anfrage von Firmen haben, prüfen wir genau, wer in diese Firma paßt. Da geht es nicht so sehr um den Lebenslauf“.

Seine Firma hat sich auf die Fahnen geschrieben, LeiharbeiterInnen wieder fest in Betriebe zu vermitteln. „Über 50 Prozent werden fest eingestellt“, erklärt Homburg. Dieser Grundsatz gehört zum Konzept der Sozialverträglichkeit von ZIP. Im Unternehmen ist ein Beirat fest verankert, der unter anderem aus Vertretern der Gewerkschaften und dem Senator für Arbeit besteht und die Arbeit kontrolliert.

Von Bemühungen, die Zeitarbeiter fest in Betriebe zu vermitteln, hat dagegen Matthias Bauer während seiner Arbeit als Zeitarbeiter nichts gespürt. „Schließlich verdient die Zeitarbeitsfirma nichts mehr an deiner Arbeit, wenn dich ein anderer Betrieb fest einstellt“, sagt Matthias Bauer. Und auch Sabine Schmidt* hat weniger gute Erfahrungen gemacht: „Ich hab bei keiner Arbeit so sehr meine Klappe gehalten, weil man als Leiharbeiterin gleich von zwei Seiten Druck bekommt.“

Schwarze Schafe unter den Zeitarbeitsfirmen kennt auch die Angestelltengewerkschaft: „Uns werden ab und zu Fälle gemeldet, da bekommen die Leiharbeiter nur 85 Prozent des normalen Gehalts oder haben nur zwei Drittel des üblichen Urlaubs“, so Holger Grape. Er rät Arbeitssuchenden deshalb dringend, sich erst bei den Gewerkschaften über die jeweilige Zeitarbeitsfirma zu erkundigen. „Aber natürlich verdient man auch in seriösen Zeitarbeitsfirmen etwas weniger als die Kollegen, die direkt im Betrieb angestellt sind“, erklärt er.

Einen eigenen aktuellen Tarifvertrag hat die Branche zur Zeit aber immer noch nicht. Der letzte ist von 1986. Wenn es nach dem Willen der Gewerkschaften geht, ändert sich das nächstes Jahr. Sie wollen sondieren, ob ein allgemein verbindlicher Tarifvertrag mit dem Bundesverband für Zeitarbeit für die ganze Branche möglich ist.

Tanja Buchner

*Namen geändert