Nur Derwall denkt noch an Klos

Das morgige Länderspiel des DFB-Teams gegen Schottland in Bremen entreißt die Glasgow Rangers Jörg Albertz und Stefan Klos für ein paar Tage der Vergessenheit  ■ Aus Glasgow Ronald Reng

Im Empfangsraum von Ibrox, dem Fußballstadion der Glasgow Rangers, kommt das Gespräch auf die schottische Nationalmannschaft. „Also, ich will ja nicht unhöflich sein“, sagt Jörg Albertz, Rangers' deutscher Mittelfeldspieler, „aber ich verschwinde dann mal lieber.“

Die schottische Nationalelf ist ein Thema zum Wegrennen; acht mal für eine Weltmeisterschaft qualifiziert und immer in der ersten Runde ausgeschieden. Albertz (28) hat es allerdings nicht so gemeint: Er hat einen dringenden Termin beim Physiotherapeuten. Der kleine Zeh ist gebrochen. Torwart Stefan Klos (27), der vor vier Monaten von Borussia Dortmund zu den Rangers wechselte, bleibt alleine auf der blauen Couch im Empfangszimmer zurück. „Das ist schon eine Erfolgsstory“, sagt er zur einmalig negativen WM-Bilanz der Schotten, die am morgigen Mittwoch in Bremen gegen Deutschland antreten.

Das Testspiel beschert den beiden Gastarbeitern einen seltenen Auftritt in der Heimat – in den deutschen Medien, nicht in der Nationalelf. Etliche Male wurden sie dieser Tage über den schottischen Fußball befragt; das Gefühl, in Deutschland gefragt zu sein, hat das Jörg Albertz und Stefan Klos jedoch nicht gegeben. „Wir sind hier weit ab vom Schuß“, sagt Klos.

Nicht bitter, selbstverständlich sagen sie das. Klos rechnete damit, langsam aber sicher zu Hause in Vergessenheit zu geraten, als er den Verein wechselte; er hatte „vorher mit dem Jörg geredet und gefragt: Sag mal, wie ist denn das, kommt da mal jemand vorbei in Glasgow, Bundestrainer oder so?“ Hier finde keiner her, sagte ihm Albertz, der im dritten Jahr in Glasgow arbeitet. 18 Tore hat „The Hammer“, wie er wegen seiner präzisen Fernschüsse gerufen wird, diese Saison bereits geschossen, ungewöhnlich für einen Mittelfeldspieler – Albertz hat sich jedoch daran gewöhnt, daß, egal wie viele Treffer er macht, aus Deutschland die Anmerkung kommt: Ja, aber in der schottischen Liga! „Es ist doch normal, daß in Deutschland nicht interessiert, was in Schottland passiert“, sagt Klos, der in Glasgow unspektakulär, aber tadellos spielt. „Hier interessiert auch niemanden, ob Leverkusen Zweiter wird oder Dortmund.“

Voller Vorfreude warten Albertz und Klos auf das große Spiel dieser Woche, bloß daß das große Spiel für sie nicht am Mittwoch in Bremen, sondern am Sonntag steigt und Rangers gegen Celtic Glasgow heißt. Mit einem Sieg über den ewigen Rivalen könnten die Rangers ihre 48. Schottische Meisterschaft reservieren, der Vorsprung auf Celtic würde auf zehn Punkte bei nur noch drei ausstehenden Partien anwachsen. Die Aufregung in Glasgow, wo Fußball Fanatismus ist, nähert sich dem saisonalen Höhepunkt. Die Nationalelf ist da allenfalls in einem beiläufigem Scherz ein Thema. „Die schottischen Mitspieler fragen: ,Bist du dabei beim Länderspiel?‘“, erzählt Klos, „und ich sage: ,Nein. Was es einfacher für euch macht.‘“

Wie Albertz, der drei Länderspiele bestritt, war Klos immer nah dran an der Nationalelf und doch nie richtig drin. Daß er nun geographisch fern ist, hat es ihm leichter gemacht, gedanklich Abstand vom Auswahlteam zu gewinnen. „Ich glaube nicht, daß ich für den Bundestrainer noch ein Thema bin“, sagt Klos. Zwar sind nur im kleinsten Detail Leistungsunterschiede zwischen ihm und dem jetzigen deutschen Reservetorwart, Jens Lehmann, auszumachen, doch es kann eben nur einer Reserve sein für Oliver Kahn. Daß der ehemalige Bundestrainer Jupp Derwall gerade erst erklärte, Klos sei seine deutsche Nummer eins, ordnet der Gelobte selbst unter Altersschwäche ein: „Derwall hat wahrscheinlich noch nicht mal mitbekommen, daß ich aus Dortmund weg bin.“

Klos klingt, als sei er selber ein wenig überrascht, wie einfach der Mensch seine Fixpunkte im Leben austauschen kann. Borussia Dortmund, Nationalelf; was ihn ein Jahrzehnt mehr als alles andere beschäftigt hat, nimmt er auf einmal distanziert, unbeteiligt wahr. „Nur eines ist gleich geblieben: Wenn du verlierst, ist alles doof.“

Zeit zu gehen. Stefan Klos packt Mitspieler Claudio Reyna, der gerade erst aus Wolfsburg nach Glasgow gewechselt ist, in sein Auto; bei Familie Klos bekommt er was zu Essen und ein bißchen Gesellschaft. Jörg Albertz wird bei der Abfahrt von einem Fan gestoppt, der ihm unbedingt eine Tüte voller Golfbälle schenken muß. Albertz sagt danke und macht eine Liebeserklärung an Glasgow, die Schotten und die Rangers: „Die sind doch alle bekloppt hier.“