Ohne freundliche Unterstützung

ARD und ZDF müssen ihr Programm wohl bald wieder selbst präsentieren: Vieles spricht dafür, das Sponsoring nach 20 Uhr wieder abzuschaffen    ■ Von Marcel Rosenbach

Brauereien tun es, Fernsehzeitschriften und Baufinanzierer. Und sogar der „Kleine Feigling“ traut sich. Mit Vorliebe machen sie es nach 20 Uhr. Dann wird im deutschen Fernsehen „unterstützt“ und „präsentiert“, daß es Sendern, Agenturen und Vermarktern eine Freude ist. Nur Zuschauer zeigen sich von den Sieben-Sekunden-Spots zu Beginn und Ende einer Sendung eher genervt.

Vorbei die Zeiten, als nette Programmansagerinnen die Passagen aus dem Lexikon des internationalen Films vortrugen und so Verantwortung für das Gelingen des Fernsehabends übernahmen. Seit die kurzen Produkthinweise ins Repertoire der gesetzlich erlaubten Reklametechniken aufgenommen wurden, haben sie sich rasant vermehrt. Von der ursprünglichen Idee, mit dem sogenannten Sponsoring vor allem schwer refinanzierbare programmliche Kleinode und Minderheitensendungen zu unterstützen, ist wenig übriggeblieben. Gesponsert werden vor allem massenattraktive Formate aus Unterhaltung, Show und Sport. Für die Sender hat sich daraus inzwischen eine nette Nebenerwerbsquelle entwickelt. Im vergangenen Jahr „unterstützte“ das Programmsponsoring immerhin mit 152 Millionen Mark die Kassen deutscher Kanäle, fast 30 Prozent mehr als noch 1997. Für 1999 rechnet der Vermarkter IP wieder mit einem Plus von acht Millionen.

ARD und ZDF werden diesen Wachstumsmarkt wohl bald mit Wehmut betrachten. Auf ihrer Medienkonferenz Ende Februar waren sich die Ministerpräsidenten weitgehend darüber einig, die florierende Werbeform im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wieder abzuschaffen, zumindest für die Zeit nach 20 Uhr. Eine endgültige Entscheidung wurde auf eine Sonderkonferenz im Herbst vertagt, bei der Finanzierungsfragen im Paket verhandelt werden sollen.

ZDF-Intendant Dieter Stolte „bedauerte“ das sich abzeichnende Verbot und brachte als Kompensation sofort eines seiner Lieblingsthemen ins Spiel: den Wegfall der 20-Uhr-Werbegrenze bei Sportübertragungen. In der ARD dominiert eine andere Idee: die entsprechende Erhöhung der Rundfunkgebühren. Sowohl Stolte als auch diverse ARD-Intendanten haben sich mit ihren Anliegen bereits an die Ministerpräsidenten gewandt.

Vor allem wollen die Vertreter von ARD und ZDF den verantwortlichen Medienpolitikern der Länder dabei klarmachen, daß es um mehr geht als um die direkten Sponsoring-Einnahmen. „Wir bekommen ein Problem beim Rechteerwerb“, erklärt Frank Dexheimer aus der ZDF-Rechtsabteilung. Insbesondere bei internationalen Sportereignissen, die zunehmend von einzelnen Veranstaltungssponsoren gebucht werden, müsse man als Sender Sponsoring-Möglichkeiten bieten. „Das gehört mittlerweile einfach zu einem modernen Marketing-Mix“, so Dexheimer. Seine Befürchtung: kein Sponsoring, keine Sportrechte. Die EBU, die sich als Zusammenschluß öffentlich-rechtlicher Anbieter in Europa auch um den Erwerb internationaler Rechte kümmert, sieht das ähnlich. In einem besorgten Brief an die betroffenen Anstalten warnte sie vor einem deutschen Sonderweg beim Sponsoring.

Zudem besteht laut Dexheimer die Gefahr, daß ein Verbot sich auch nachteilig auf die klassische Spotwerbung auswirke. Viele ZDF-Kunden würden Werbepakete aus Spots und Sponsoring buchen, weil solche Mix-Strategien deutlich die Erinnerungswerte der Zuschauer erhöhen. Wenn das ZDF künftig nur noch Spots anbieten könne, ist das laut Dexheimer deshalb „ein klarer Wettbewerbsnachteil“. Wichtige Werbekunden, so die Angst der Öffentlich-Rechtlichen, könnten ganz zur kommerziellen Konkurrenz abwandern.

Dort sieht man die Entwicklung entsprechend positiv. Für Hartmut Schulz, Pressesprecher der Privatfunklobby VPRT, wäre ein Sponsoring-Verbot „ein Schritt in die richtige Richtung“. Bei einem Gebührenaufkommen von insgesamt elf Milliarden Mark habe der Verdienstausfall für ARD und ZDF „ohnehin keine Relevanz“. Auch die Rechteargumentation findet der VPRT-Mann nicht stichhaltig: „Da geht es doch darum, wer am meisten Geld auf den Tisch legt.“ Die „wirtschaftlich potentesten Einkäufer“ sind und bleiben nach Ansicht von Schulz aber die Öffentlich-Rechtlichen – auch nach einem Sponsoring-Stopp. Für den VPRT ist diese Maßnahme deshalb auch nur ein „Etappenziel“. In ihren Strategiepapieren fordern die Lobbyisten schon seit Jahren einen völligen Werbeverzicht bei ARD und ZDF.

Bei Medienpolitikern stoßen sie damit zunehmend auf offene Ohren. Bayerns Staatskanzleichef Erwin Huber fordert schon länger lautstark einen werbefreien öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und Heide Simonis, übertriebener VPRT-Nähe unverdächtig, hatte beim Ministerpräsidententreffen sogar einen entsprechenden Vorschlag im Gepäck. Der allerdings sieht auch vor, die Einnahmeverluste durch eine Gebührenerhöhung auszugleichen. Das liefe letztlich auf eine klarere Trennung des dualen Systems hinaus: Die Privaten könnten den Werbekuchen künftig unter sich aufteilen und so einen Weg aus ihrer ökonomischen Misere finden – schließlich senden sie bis auf wenige Ausnahmen in der Dauerverlustzone. Bei ARD und ZDF wäre man vom gröbsten Quotendruck befreit und könnte wieder konsequenter das öffentlich-rechtliche Profil schärfen.

Inzwischen gibt es sogar bei ARD und ZDF Befürworter einer Selbstbeschränkung in Sachen Sponsoring. So stellte WDR-Intendant Fritz Pleitgen nach dem Februar-Treffen offen die Frage, ob die Sponsoring-Millionen den Ansehensverlust bei den Zuschauern aufwiegen. In den Redaktionen der betroffenen Sendungen war die Werbeform ohnehin nie unumstritten: So ist überliefert, daß die „aspekte“-Mannschaft aus allen Wolken fiel, als sie kurz vor der ersten gesponserten Folge erfuhr, fortan vom Fakten-Magazin Focus „unterstützt“ zu werden.

Daß das Thema Werbeverzicht vorerst aktuell bleibt, zeigte die Frühjahrskonferenz, bei der letzte Woche in Bonn der überfällige vierte Rundfunkstaatsvertrag endgültig eingetütet wurde. Auf Antrag Sachsens wurde dort die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs beauftragt, bis Jahresende einen Sonderbericht über Werbung und Sponsoring bei ARD und ZDF vorzulegen. Eine Kernfrage: Wie tief müßten die Gebührenzahler für einen vollständigen Werbeverzicht in die Tasche greifen?