Annan warnt vor Teilung Europas

Eigentlich wollte der UNO-Generalsekretär nicht über das Kosovo sprechen. Aber es wurde das Thema seiner Rede. Sonderbotschafter werden ernannt  ■   Aus Berlin Patrik Schwarz

„Es stimmt nicht, daß die Welt 'uni-polar‘ ist.“ Fast trotzig klingt es, als UNO-Generalsekretär Kofi Annan im Berliner Hotel Adlon ans Mikro tritt. Bei der jährlichen sogenannten Berliner Rede, die Bundespräsident Herzog vor zwei Jahren mit seiner „Ruck“-Rede initiiert hatte, trat Annan aus der Defensive heraus an. Wie wichtig ist die UNO noch in den Zeiten einer Krise, in der die Nato im Alleingang operiert?

Schon möglich, räumt Annan ein, daß es nur eine „Supermacht“ gebe, die USA. Aber „wenn es so aussieht, als sei die Welt uni-polar, dann kann es nur daran liegen, daß andere Mächte ihre Verantwortung nur widerstrebend auf sich nehmen.“ Sorgsam vermeidet Annan das Thema Kosovo in den Mittelpunkt seiner Rede zu stellen, doch jetzt spielt er direkt auf die Krise an: „Und wenn die Vereinten Nationen zum Zuschauen verurteilt sind, dann nur deswegen, weil ihre Mitgliedstaaten sie nicht wirklich in vollem Maße nutzen.“

Es wird das Ceterum censeo seiner Rede: Nicht die UNO verpaßt Chancen für mehr Engagement, sondern die einzelnen Länder müssen sich stärker staatsübergreifend engagieren – innerhalb und unterhalb der Ebene der Vereinten Nationen. Den Deutschen trägt er einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat an. „Ich würde dies im Rahmen einer umfassenderen Reform begrüßen.“ Doch bald landet er wieder beim Kosovo-Komplex.

„Es hätte nicht erst der schrecklichen Ereignisse auf dem Balkan bedürfen müssen, damit kreative Vorschläge für den Wiederaufbau Südosteuropas vorgelegt werden.“ Annans weiche Stimme wird einen Spur härter.„Wie vieles hätte vermieden werden können, wenn solche Ideen früher verfolgt worden wären!“ Nach seinem Moskaubesuch Ende dieser Woche werde er zwei Sonderbotschafter für das Kosovo ernennen.

Annan spart nicht an Lob für die europäische Integration, preist die staatenübergreifende Zusammenarbeit in West- und Mitteleuropa als vorbildlich. In Bezug auf Osteuropa und den Balkan „bietet sich jedoch ein trauriges und ganz anderes Bild“. Dort macht sich nach Annans Eindruck ein „Gefühl des Ausgeschlossenseins“ breit. „Dieser Zustand ist höchst besorgniserregend.“ Der UNO-Generalsekretär beschwört die Gefahr, daß das hohe Ideal der europäischen Einheit „in der Praxis nur zu einer neuen Teilung führen“ könnte. Europa zerfiele in ein „komfortables, wohlhabendes und demokratisches Westeuropa“ und ein „verarmtes, von Kriegen zerrissenes, ressentimentgeladenes Ost- und Südosteuropa“. An diesem Punkt wird Annans Analyse politischer, als es sich Diplomaten üblicherweise leisten: „Falls dies geschieht, ist mit dem Aufstieg populistischer Führer zu rechnen, die die Ressentiments der sich als Verlierer fühlenden Bevölkerung geschickt ausnutzen. Europa hat eine solche Politik zu Genüge erlebt und erlebt sie noch immer.“ Handelt es sich um einen nur leicht verschleierten Hinweis auf Miloevic? Weist der UNO-Generalsekretär damit einer unzulänglichen europäischen Integrationspolitik die Schuld am Aufstieg des serbischen Diktators zu? Annan ist zu sehr Diplomat, um deutlicher zu werden. Wie wichtig ist Europa heute? „Vielleicht viel mächtiger, als manchem Europäer bewußt ist, doch bei weitem noch nicht so mächtig, wie es sein könnte.“