Werthebach: Ausländerextremismus als Gefahr

■ Der Verfassungsschutzbericht 1998 stellt einen Zuwachs bei rechtsextremistischen Gruppierungen fest. Linksextremistische Straftaten gingen um 30 Prozent zurück

Im Ausländerextremismus sieht Innensenator Eckart Werthebach (CDU) das größte Gefährdungspotential. Deshalb ist dieser im Verfassungsschutzbericht 1998, den Werthebach gestern vorstellte, auch erstmals an erster Stelle aufgeführt, gefolgt von Rechtsextremismus und Linksextremismus. Als Begründung nannte Werthebach gestern die hohen Mitgliedszahlen ausländischer Extremistengruppen sowie deren hohe Gewaltbereitschaft. Als „gefährlichste Gruppierung“ bezeichnete er die Kurdische Arbeiterpartei PKK, deren Anhänger im Februar das israelische Konsulat gestürmt hatten.

Die linksextremistischen Gruppierungen sind nach Angaben des Verfassungsschutzes zahlenmäßig konstant geblieben. Ihr Gesamtpotential wird mit 2.580 Personen angegeben. Die Straftaten mit linksextremistischem Hintergrund sind um 30 Prozent zurückgegangen: 794 Straftaten waren es 1998, im Vorjahr waren es noch 1.148. Die Autonomen hätten sich vergangenes Jahr nicht auf ein „Mobilisierungsthema“ einigen können, sagte Werthebach. Dies hätten sie nun aber mit dem Kosovo-Krieg gefunden. Die autonome Szene stellt Werthebach zufolge ein „beachtliches Gefährdungspotential“ dar und sei „jederzeit in der Lage, schwere Gewalttaten zu begehen“.

In der rechtsextremistischen Szene verzeichnet der Bericht einen Zuwachs von etwa 300 Personen. Das Gesamtpotential mache rund 2.700 Personen aus. Auch bei den gewaltbereiten Rechtsextremisten konstatiert der Bericht eine Zunahme. Die Zahl der Neonazis sei von 245 (1997) auf 330 (1998) angestiegen. Dies ergab sich aus der engeren Zusammenarbeit mit der Polizei. Dadurch sei es gelungen, mehr unorganisierte Neonazis als bisher zu identifizieren. Es handle sich um 120 Personen.

Die Zahl der Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund ist im vergangenen Jahr von 52 Delikten auf 82 Delikte angestiegen. Dabei handelt es sich ganz überwiegend um Körperverletzung (72 Fälle). Aufgrund eines leichten Rückgangs von anderen rechtsextremistischen Straftaten (z. B. Verbereiten von Propagandamitteln, Sachbeschädigungen) ist die Gesamtzahl rechtsextremistischer Straftaten im vergangenen Jahr von 552 (1997) auf 510 (1998) leicht zurückgegangen.

Die mit Abstand meisten rechtsextremistischen Gewalttaten ereigneten sich in den Bezirken Lichtenberg (16 Gewalttaten) und Treptow (11 Gewalttaten).

Mit Sorge betrachtet Werthebach den „deutlichen Zuwachs“ bei der NPD, die bei Neonazis auf wachsende Akzeptanz stoße. Nicht mehr im Bericht aufgeführt sind die rechtsextremen „Republikaner“. Aufgrund mangelnder Nachweise des Verfassungsschutzes hatte die Partei im vergangenen Sommer vor dem Kammergericht erreicht, daß sie nicht mehr genannt werden darf. Das Oberverwaltungsgericht hat Ende März die Berufung gegen das Urteil zugelassen.

Im Kapitel Ausländerextremismus fallen u. a. die dürftigen Erkenntnisse über die islamistische Gruppierung Milli Görüs auf. Verfassungsschutzchef Eduard Vermander erklärte, deren Bestrebungen, weltweit einen islamischen Gottesstaat zu errichten, seien nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Er sprach von massiver Indoktrination in den Moscheen. Anhaltspunkte für Gewalttaten gebe es nicht. Gegenwärtig prüft der Verfassungsschutz, ob auch die Islamische Föderation von Milli Görüs beeinflußt werde und deshalb zum Beobachtungsobjekt werden solle, sagte Vermander. Die Islamische Föderation hat im vergangenen Jahr vor Gericht das Recht erkämpft, in Berlin islamischen Religionsunterricht anzubieten. Dorothee Winden