„Wenn zehn Milliarden Euro kommen ...“

■ „... dann kann man damit leben“, meint der makedonische Politiker Boschkow

taz: Die makedonische Regierung ist wegen ihrer Politik gegenüber den Flüchtlingen stark kritisiert worden. Und es kommen immer neue Vertriebene. Wie wollen die Verantwortlichen in Skopje damit umgehen?

Jordan Boschkow: Die Regierung hat diesen Flüchtlingszustrom bewältigt. Dabei sind einige unschöne Dinge passiert, das ist nicht zu leugnen. Wenn so viele kommen, gibt es eben auch Todesfälle. Jedoch hat die Regierung zunächst die Aufgabe, die Sicherheit im Lande aufrechtzuerhalten. Diese Sicherheit wird durch die Flüchtlinge beeinträchtigt, und da können wir nicht tatenlos zusehen.

Es gibt auch den Vorwurf, Makedonien wolle den Westen mit den Flüchtlingen unter Druck setzen.

Die Regierung erpreßt den Westen nicht. Wir sind ohnehin stark nach Europa orientiert und haben auch die Assoziierung beantragt. Das kommt jetzt in Gang. Wir sind auch an einer Mitgliedschaft in der Nato interessiert. Auf der anderen Seite hatten Bulgarien und Griechenland ihre Grenzen zu Jugoslawien dichtgemacht. An der Grenze zu Griechenland gab es ja auch Schießereien, mit Toten. Es ist normal, daß sich jeder Staat um seine eigene Sicherheit kümmert.

Die innere Sicherheit im Land ist das eine. Aber besteht nicht auch die Befürchtung, die Tausenden von kosovo-albanischen Flüchtlingen könnten die Verhältnisse zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen auf den Kopf stellen und damit die politische Situation destabilisieren?

Die Stabilität steht nicht auf dem Spiel. Sie wird von der Regierungskoalition, in die die Albaner eingebunden sind, bewahrt. Diese Zusammenarbeit läuft gut.

Die westlichen Staaten haben ihre strenge Kontingentierung bei der Aufnahme von Flüchtlinge damit begründet, daß die Menschen in Heimatnähe bleiben sollen, da sonst Milosevic mit seiner Vertreibung Erfolg hätte. Sticht diese Argumentation?

Natürlich kann man diese These vertreten. Aber im Westen ist das zu einem großen Teil auch Wunschdenken. Makedonien befindet sich wirtschaftlich in einer äußerst schwierigen Lage. Unser gesamter Haushalt beträgt 1,2 Milliarden Mark. Das ist lächerlich, wenn man bedenkt, daß eine Gemeinde in Deutschland schon 50 Millionen hat. Bei so einem Haushaltsaufkommen ist es natürlich äußerst schwierig, von Lösungen zu sprechen, daß die Flüchtlinge vor Ort bleiben.

Also einen Großteil der Flüchtlinge nach Westeuropa bringen?

Wenn beispielsweise zehn Milliarden Euro kommen, dann kann man damit leben. Sehen Sie doch, welche Unsummen dieser Krieg kostet, und demgegenüber die Bereitschaft, Mittel zur Verfügung zu stellen.

Befürchten Sie, daß auch Makedonien in den Krieg hineingezogen werden könnte?

Diese Befürchtung gibt es nicht. Die serbische Armee wird es nicht wagen, Makedonien anzugreifen. Wir haben 10.000 Nato-Soldaten im Land. Außerdem haben wir 40.000 Serben im Land, die größtenteils in Mischehen leben. 100.000 Makedonier leben ihrerseits in Serbien in Mischehen.

Trotz mehrwöchiger Bombardierung Jugoslawiens ist die Nato ihren erklärten Zielen nicht nähergekommen.

Der Nato-Einsatz hat die ethnischen Auseinandersetzungen eher noch verstärkt. Vielleicht sogar so weit, daß diese Ethnien niemals mehr werden zusammenleben können.

Was erwartet Makedonien von dem gegenwärtig diskutierten Stabilitätspakt für den Balkan?

Wir brauchen eine enge Kooperation der Europäischen Kommission mit den Regierungen in dieser Region. Dabei geht es nicht nur um wirtschaftliche Hilfe, sondern darum, überhaupt erst einmal funktionierende staatliche Institutionen zu schaffen wie zu Beispiel unabhängige gerichtliche Instanzen. Deren Zustand läßt noch viel zu wünschen übrig. Interview: Barbara Oertel‚/B‘.