„Kein Schokoladenwahlkampf“

■  SPD-Spitzenkandidat Walter Momper, der seit Wochen im Kreuzfeuer der eigenen Partei steht, trat die Flucht nach vorne an: Es gibt keine Alternative zur Haushaltskonsolidierung

Die SPD-Spitze geht in die Offensive. Seit Wochen steht der Spitzenkandidat der Genossen, Walter Momper, mitsamt der vierköpfigen Führungsquadriga im Kreuzfeuer der eigenen Partei. Deren Ansinnen, zwei Wohnungsbaugesellschaften zu verkaufen, hatte die SPD-Basis gegen sie aufgebracht.

Gestern konterte Momper. „Es ist unverantwortlich, Politik ohne Blick auf die Finanzen zu formulieren“, warnte er sowohl seine GenossInnen als auch die CDU. „An den Realitäten kommt keiner vorbei. Wer den Haushalt nicht decken kann, ist nicht regierungsfähig. Das sage ich auch meinen Parteigremien.“

Den Gegnern der Haushaltskonzeption, für die er und Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing stehen, hielt Momper mangelndes Verantwortungsbewußtsein vor. „Einen Schokoladenwahlkampf lehnen wir ab“, sagte er, die SPD habe sich „für einen Verantwortungswahlkampf“ entschieden. Berlin müsse auf einen Zukunftskurs gebracht werden, „aber bitte so, daß wir mit den Beinen auf dem Boden bleiben“. Die CDU müsse erst einmal zeigen, wie sie den Haushalt decken wolle.

Mit Blick auf die innerparteilichen Auseinandersetzungen um die Privatisierung erwartet Momper, daß im SPD-Landesausschuß am kommenden Montag der bereits besprochene Kompromiß beschlossen wird: Um 2,5 Milliarden Mark für den Haushalt 1999 einzunehmen, werden zwei Wohnungsbaugesellschaften zu 74,9 Prozent privatisiert. Das Land behält eine Sperrminorität, der private Investor jedoch die unternehmerische Führung. Letzteres bezeichnete Momper gestern als „Durchbruch“ und „qualitativen Sprung“.

Der innerparteiliche Streit darum sei ohnehin nicht vermeidbar gewesen, hieß es gestern aus der SPD-Führungstruppe. „Natürlich habe ich gewußt, welchen Gegenwind der Vorschlag zur Deckung des Haushalts entfachen würde“, sagte Momper, jedoch sei es schließlich „das Wesen von Führung“, politisch voranzuschreiten. „Die Gremien sind in ihrem Bewußtseinsprozeß immer etwas langsamer als die Führung.“

Auch angesichts des schlechten Bildes, das die Partei wegen des Konfliktes in der vergangenen Zeit abgegeben habe, mache er sich keine Sorgen. Die Gewinner einer Haushaltsdeckung seien schließlich immer die Bürger, vor allem diejenigen, die weniger haben. Daß die Partei angesichts der Umfrageergebnisse „flatterig“ werde, sei zwar verständlich, „aber Umfragen sind keine Wahlergebnisse“.

Die besseren Sympathiewerte des CDU-Spitzenkandidaten Eberhard Diepgen kommentierte Momper mit: „Ich wäre gerne beliebter, wer wollte das nicht.“ Schon vor der Wahl 1989 habe Diepgen bei 70 Prozent in der Wählergunst gelegen, er selbst bei nur 30 Prozent. „Dennoch haben wir die Wahl gewonnen.“ Vorsichtshalber engagierte Momper dennoch einen neuen Pressesprecher: den 44jährigen Journalisten Michael Böhm. Barbara Junge