Meinung qua Geschäftsordnung verordnet –betr.: „Volkskunst des Wohlmeinens“, taz,mag vom 17./18.4.99

Wieder mal darf Herr Rutschky seinen Widerwillen gegen Leserbriefschreiber (vermutlich alle, deren Beiträge trotz fehlender „Essayisten“-Ausbildung abgedruckt werden) zu einem überheblichen Quark zusammenrühren! Was nützt ein Aufheben über die Tatsache, daß die Leserbriefschreiberin nur ihre Meinung und nichts als die Meinung zum besten gibt? Das ist qua Geschäftsordnung so vordefiniert. Daß sich eine Meinung spitzer formulieren läßt, wenn man den Gegner ein wenig verteufelt: klarer Fall, das ist gutes journalistisches Recht und nennt man Polemik.

Wer sich, im vorliegenden Fall, allerdings einer Mehrheit anschließt, ob diejenige, die J. Fischer Verrat vorwirft, oder Rutschky selbst, wenn er sich grandseigneurmäßig auf die Seite der Macher und Entscheider schlägt, ist noch sehr die Frage. Einen Fehler machen die Entscheidungsträger der Nato im Unterschied zu Rutschky jedenfalls nicht, nämlich die öffentliche Meinung geringzuschätzen: Wäre sonst die Hälfte des Rambouillet-Vertrages der Öffentlichkeit vorenthalten worden? Wozu die ganze (Des-)Informationspolitik der Generalstäbe, wenn nicht, um den Chor der Stimmen, die nix weiter zu verlauten hätten als ihre „moralischen“ Bedenken, möglichst leise zu halten? Waldo Ellwanger, Oldenburg