Ein wenig mehr Gerechtigkeit für SED-Opfer

■ Bundesregierung will Entschädigung für ehemalige politische Häftlinge der DDR und deren Hinterbliebene erhöhen. Staatsminister rechnet mit Kosten von 300 Millionen Mark

Berlin (taz) – Das Datum war geschickt gewählt. Bevor sich die einstigen SED-Opfer über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts empören konnten, verkündete Staatsminister Rolf Schwanitz gestern, daß die Bundesregierung die SED-Opfer besser als bislang entschädigen will. Nach zwei Gesprächsrunden mit Opferverbänden im Kanzleramt hat die Bundesregierung beschlossen, das SED-Unrechtsbereinigungsgesetz in fünf Punkten zu ändern.

Zentral ist dabei die Erhöhung der Kapitalentschädigungen. Ehemalige politische Häftlinge der DDR erhalten für jeden Haftmonat 600 Mark, egal ob sie nach der Haft in die Bundesrepublik abgeschoben wurden oder weiter in der DDR lebten. Damit bekommen sie jetzt ebensoviel Geld für ungerechtfertigte Haft wie Häftlinge im Westen. Bislang erhielten die freigekauften Häftlinge 300 Mark, die anderen 550 Mark.

Darüber hinaus sollen die Leistungen für Hinterbliebene von SED-Opfern verbessert werden. Witwen, Kinder von verstorbenen Opfern und Eltern von Maueropfern bekommen aus der „Stiftung für ehemalige politische Häftlinge“ höhere Zuwendungen.

Erleichterungen soll es auch für jene geben, die durch die Haft gesundheitlich geschädigt sind. Vor allem psychisch Kranke hatten bislang große Schwierigkeiten, Anträge auf Unterstützung durchzusetzen. 95 Prozent der Anträge auf Anerkennung haftbedingter Gesundheitsschäden seien bisher abgelehnt worden, sagte Schwanitz, der in der Bundesregierung für die neuen Länder zuständig ist. Sie wollten alle abgelehnten Anträge neu überprüfen, kündigte Schwanitz gestern an.

Zudem sollen alle, die nach 1945 nach Sibirien verschleppt wurden, mehr Unterstützung als bisher erhalten. Davon sind vor allem Frauen betroffen.

Bessergestellt werden auch die Menschen, die durch die Haft berufliche Nachteile hatten und jetzt nur sehr kleine Renten bekommen. Die Frist für Anträge auf berufliche Rehabilitierung, um diese Nachteile auszugleichen, werden um zwei Jahre verlängert.

Er hoffe, damit „ein Stück Befriedung des schmerzlichen Themas auf den Weg gebracht zu haben“, sagte Schwanitz. Betroffen von den neuen Regelungen seien 160.000 Antragsteller. Sie können ihre Rechte bei den Rehabilitierungsstellen der Länder geltend machen. Die Bundesregierung rechnet mit Kosten von 300 Millionen Mark, die dadurch anfallen. Die erste Lesung des Gesetzentwurfes soll vor der Sommerpause stattfinden. Zum 1. Januar 2000 tritt das Gesetz voraussichtlich in Kraft. Jutta Wagemann