■ Politischer Spagat in Paris

Als die ersten Bomben auf Jugoslawien abgeworfen wurden, riefen in Paris die mitregierenden KommunistInnen zur Antikriegsdemonstration. „Kommt zahlreich“, bat Parteichef Robert Hue. Nicht nur seine eigenen GenossInnen, sondern auch Mitglieder der mitregierenden linksnationalistischen Bürgerbewegung MDC folgten dem Aufruf. Die drei kommunistischen MinisterInnen in der rot-rosa-grünen Pariser Regierungskoalition machten von vornherein keinen Hehl aus ihrer Gegnerschaft gegen die Luftangriffe auf Ziele in Jugoslawien. Transportminister Jean-Claude Gayssot von der KPF wiederholte diese „persönliche Meinung“ auch gestern noch in einem Interview.

Der andere mitregierende Bombenkritiker, der linkssozialistische Innenminister Jean-Pierre Chevènement, der von seinem früheren Posten als Verteidigungsminister 1991 aus Protest gegen den Golfkrieg zurücktrat, hält sich dieses Mal in der Öffentlichkeit zurück. Statt dessen wählte er die skurrile Form, einen Text des deutschen „Philosophen“ Hans Magnus Enzensberger bei einer MinisterInnensitzung zu verteilen. Der Aufsatz gebe auch seine persönliche Meinung wieder, sagte Chevènement knapp.

Vier MinisterInnen und zwei der vier Parteien, die die Koalition stellen, sind offen gegen den Krieg, an dem Frankreich seit dem ersten Tag teilnimmt. Doch von MinisterInnenrücktritten redet niemand in der Regierung. Auch in ihren eigenen Parteien ertönt der Ruf nach einem Bruch der Koalition bislang nur verhalten. Lediglich eine Gruppe oppositioneller konservativer Abgeordneter verlangte von den KriegskritikerInnen, sie sollten die Regierung verlassen. Von „nationalem Verrat“, wie ihn deutsche Sozialdemokraten PDS-Chef Gregor Gysi nach dessen Belgrad-Reise vorwarfen, ist in Paris keine Rede. Der sozialistische Premierminister Lionel Jospin nannte es am Dienstag „glücklich“, daß seine Regierung „nicht in allen Punkten einig“ sei.

Dorothea Hahn, Paris