Frieden auf dem Balkan? Etwas mehr Geduld bitte!

■ UN-Generalsekretär Kofi Annan und Kanzler Schröder erwarten kein schnelles Ende des Krieges. Schröder: „Wir sind am Beginn, nicht am Ende eines Prozesses.“

Berlin (taz) – Die Nato-Generäle haben sich längst darauf eingestellt, jetzt räumt es auch die Politik ein: Das Ende des Krieges im Kosovo ist noch fern. UN-Generalsekretär Kofi Annan sagte gestern nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Gerhard Schröder in Berlin: „Ich möchte gerne davor warnen, unrealistische Hoffnungen zu haben, daß wir hier schnell zu einem Ende kommen.“ Die Suche nach Frieden im Kosovo sei „ein langer, komplexer und verwickelter Prozeß“. Auch Schröder sprach davon, es sei noch „mehr Geduld“ nötig. „Wir sind am Beginn eines politischen Prozesses, nicht an dessen Ende“, so der Bundeskanzler.

Beim UN-Generalsekretär paart sich die Skepsis gegenüber einer raschen Friedenslösung offenbar mit zunehmender Sorge über die Folgen der Nato-Luftangriffe. „Seit Beginn des Konflikts sind wir alle von der Tragödie der Kosovo-Albaner gerührt worden. Doch in dem Maße, in dem der Konflikt eskaliert, sehen wir, wie sich seine Auswirkungen in der Region ausbreiten und Opfer quer durch die Bundesrepublik Jugoslawien fordern“, heißt es in einer Erklärung Annans. Ohne direkte Nennung der Nato kritisierte er, daß die Bombardierung der drei Brücken von Novi Sad die Hälfte der Bevölkerung von der Trinkwasserversorgung abgeschnitten habe.

Annan erklärte in Berlin, er wolle den slowakischen Außenminister Eduard Kukan zu einem seiner zwei neuen Balkan-Beauftragten ernennen. Als weitere Kandidaten nannte Annan den Österreicher Franz Vranitzky, den Schweden Carl Bildt und den Schweizer Flavio Cotti.

Annan und Schröder waren sich darin einig, Rußland verstärkt in eine Lösung des Konflikts einzubeziehen. Der Bundeskanzler begrüßte ausdrücklich, „daß die russische Seite in Bewegung gekommen ist“. Auch Annan, der gestern nach Moskau weiterflog, lobte Rußland für seine „sehr konstruktive und nützliche Rolle“.

Sichtbarer Ausdruck des westlichen Werbens um den Kreml ist die Shuttle- Diplomatie der letzten 24 Stunden: Nachdem gestern Verteidigungsminister Scharping in Moskau den russischen Kosovo- Beauftragten Wiktor Tschernomyrdin getroffen hat, wird Tschernomyrdin heute von Schröder in Bonn erwartet. Zudem will der russische Kosovo-Beauftragte nach Belgrad und Rom reisen. Zuvor wollte Tschernomyrdin Annan empfangen, der seinerseits Gespräche mit Präsident Jelzin, Ministerpräsident Primakow und Außenminister Iwanow plant. Iwanow sagte vor dem Treffen, es bestehe Einigkeit zwischen der Staatengemeinschaft und Belgrad, daß internationale Friedenstruppen unter der Führung der UN im Kosovo stationiert werden sollten. Patrik Schwarz