„Das Präsidentenamt ist ein politisches Amt“

■  Gesine Schwan möchte einen Campus nach amerikanischen Vorbild und Zusammenhalt und Kommunikation aller Mitglieder der Uni stärken

taz: Frau Schwan, die FU ist in der Beurteilung durch die Studenten beim „Spiegel“-Ranking auf einem der hintersten Plätze gelandet. Woran liegt das?

Schwan: Alle Massenuniversitäten haben schlecht abgeschnitten. Aber die FU liegt in den meisten Fächern noch hinter der Humboldt-Universität. Die Universitätsleitung hat es bisher nicht zureichend vermocht, den Studenten zu vermitteln, daß sie dazugehören. Auch Herr Gaehtgens ist gegen die Demotivierung nicht angegangen. Aber die studentischen Gruppen interessieren ihn ebensowenig wie die Vertretung der sonstigen Mitarbeiter.

Wenn insgesamt kein Klima freundlicher Kommunikation herrscht, dann fühlen sich Studierende nicht wohl. Deshalb muß man den Campus so gestalten, daß sich alle Mitglieder der Universität dort treffen können. Das frühere amerikanische Hauptquartier ist dafür ideal.

Auf dem Gelände könnte aber nur ein kleiner Teil der FU unterkommen. Läßt sich damit eine Campus-Situation herstellen?

Auf dem Gelände will ich all das verorten, was für die gesamte Universität von Bedeutung ist: zentrale Universitätsverwaltung und Präsidialamt, außerdem Clubs für Dozenten und Studenten. Es soll ein Ort sein für Begegnungen zwischen den Disziplinen, zwischen der Universität und der Stadt, ein Treffpunkt für die gesamte Universität nach amerikanischem Vorbild.

Stellt sich nur noch die Frage nach der Finanzierung. Die Kassen sowohl der Hochschule als auch des Landes sind leer.

Darüber habe ich natürlich schon mit den politischen Kräften gesprochen. Die Chance besteht im Grundstückstausch zwischen dem Bund und dem Land. Das Bundeskanzleramt hat ja entscheidenden Anteil daran, daß der Bundesnachrichtendienst auf das Gelände verzichtet hat. Das war weitgehend die Tat von Staatssekretär Steinmaier und Staatsminister Naumann. Auch sie wissen, daß wir kein Geld haben. Hier in der Universität ist man ja oft ganz defätistisch. Auch mit dem BND hat man immer gesagt: Das klappt nicht. Nun hat's geklappt.

Es geht aber nicht nur um das Grundstück, sondern auch um die Kosten für die Renovierung.

Im Etat der FU sind bereits 45 Millionen Mark angemeldet. Man muß sich bemühen, aus dem neuen Hochschulbauprogramm der Bundesregierung Mittel zu bekommen.

Sie haben bereits die Namen einiger Politiker genannt. Sie verstehen das Präsidentenamt als politisches Amt. Warum?

Nach innen heißt das, die unterschiedlichen Interessen in dieser Hochschule argumentativ so zu vermitteln, daß sie mit einer Gemeinwohlidee der Universität übereinstimmmen. Nach außen ist das Präsidentenamt erst recht politisch, denn die Universität braucht ganz einfach Geld. Dazu muß sie Öffentlichkeitsarbeit leisten. Wenn die Sympathie, die mir in der Presse oft begegnet, auf die Universität übertragen wird, dann ist das nur gut.

Sie haben Kritik daran geübt, wie das Wahlbündnis für Ihren Gegenkandidaten zustande gekommen ist. Herr Gaehtgens sagt, eine solche Koalitionsbildung sei ein ganz normaler demokratischer Prozeß – und wirft Ihnen ein unpolitisches Verständnis von Universität vor.

Dann haben wir eben ein unterschiedliches Verständnis von Politik. Ich sage: Demokratische Politik ist eine öffentliche, transparente, argumentative Angelegenheit. Er sagt: Hinterzimmerkungelei sei auch Politik. Aber es war völlig undemokratisch, eine Entscheidung zu treffen, bevor überhaupt die Kandidatenlage klar ist. Dabei geht es offenkundig nicht um eine optimale Lösung für die Universität, sondern darum, eine bestimmte Machtstruktur zu befestigen.

Sie schätzen ihre Wahlchancen also weiter gut ein?

Sehr gut!

Gibt es dafür Anhaltspunkte?

Ich führe natürlich sehr, sehr viele Gespräche, meine Anhänger tun das auch. Und wir sehen, daß die Einschätzung immer mehr wächst: Frau Schwan ist die interessantere Alternative. Demokratische Politik heißt immer, daß man kämpfen muß für seine Ziele. Deshalb wende ich mich anders als Herr Gaehtgens auch nicht gegen den Begriff „Wahlkampf“. Es gehört zu einer guten demokrtaischen Kultur.

Das Gekungel, das Sie anprangern, beschränkt sich nicht auf Wahlabsprachen. Wo sehen Sie Veränderungsbedarf?

Der nicht politische Teil der Universität, die Verwaltung, muß von den politischen Teilen getrennt werden. Wenn das Präsidium gerade unter der Führung von Herrn Gaehtgens beschlossen hat, zwei wichtige Abteilungen der zentralen Universitätsverwaltung dem Leiter des Präsidialamts zu übergeben, dann ist das genau die Vermengung, die ich für völlig falsch halte. Interessanterweise hat Herr Gaehtgens das noch nicht unterschrieben, weil er offenbar von seinen potentiellen Wählern Zunder bekommen hat. Das ist für mich ein Zeichen von Führungsschwäche.

Ist die Koalition für Gaehtgens damit schon in Auflösung begriffen?

Schon längst. Deshalb haben die Schnürer ja mit aller Gewalt versucht, das Paket Anfang März mit dem Mittel der Kuratoriumswahl noch schnell festzuzurren. Die Absprachen, Kungeleien, Intrigen, die in diesem Feld laufen, sind abenteuerlich. Es ist ein Krimi. Interview: Ralph Bollmann