Die spinnen, die Anzüge!

■ Und keiner sagt: „Tschuldigung, verwählt“

So ist er, der irgendwie links empfindende Wähler: Vorher hat er keine Ahnung, was er machen soll, jankt und meckert mächtigtuerisch herum, und dann – gibt er doch seine Stimme weg. Und wird, wenn die, denen er dies schwache Stimmchen schenkte, gewonnen haben, auf einmal gläubig. Alles hat er nun aus guten Gründen gemacht, hat den Durchblick gehabt, den Plan. Nicht die haben gewonnen – er hat gewonnen. Das will er sich nicht wegnehmen lassen – schon gar nicht von der Realität. Also müssen die, denen er aufhalf, dafür dann auch die Richtigen sein, wenn nicht sogar: die Guten. Die Kavallerie. Die im letzten Moment alles richtet. Und sein dringendes Lassie-, Rin-Tin-Tin- und „Alles wird gut!“-Bedürfnis befriedigt.

In harmlosen Zeiten könnte man das sogar fast verstehen. Wer gibt schon gerne zu, daß er sich zur Nuß gemacht hat? Jetzt aber, im Krieg, wo weit Übleres geschieht, als daß ein paar Deppen düpiert werden, könnte man schon erwarten, daß diejenigen, die ihren vorausschauenderen Mitmenschen das Trümmertrio Scharping, Fischer und Schröder eingebrockt haben, sich so langsam mal hinstellten und sagten: „Tschuldigung – wir haben uns verwählt.“ Machen die aber nicht – obwohl es gute Gründe gibt:

Da ist Rudolf Scharping, seit 1995 die Fußmatte der SPD, später noch weiter herabgesunken zum Bild-Zeitung-Kolumnisten bei der Tour de France 1997, der sich in kurzen Hosen und Leibchen abbilden ließ, täglich. Diese komplett würdelose Existenz brüllt und bläkt von Anbeginn des Krieges: „Völkermord! Auschwitz! Faschismus! KZ!“, bis er sich das selber glaubt, und ballt die Fäustchen wie Stefan Äustchen: eine Karikatur. Individualpsychologisch gilt für Scharping zudem: Ein Kriegsminister ohne Eier ist natürlich immer gefährlicher als ein richtiger Mann.

Unter ähnlich großem Beweisdruck wie Scharping steht Joseph Fischer, vormals dufte klingen sollend Joschka. Mit ausdrücklicher Billigung der Gesellschaft, von deren Abschaffung er solange träumte, bis ihm dämmerte, daß der Einzelaufstieg innerhalb dieser Gesellschaft leichter zu bewerkstelligen wäre, wechselte Fischer die Seiten. Der Straßenkämpfer wurde Legalist, der Propagandist des „Revolutionären Kampfs“ Werbeträger für den Brockhaus und die FAZ. (Und noch einmal für unsere schlichteren Geister: Das ist kein moralischer Vorwurf, sondern eine simple Tatsachenfeststellung.) Für Fischer gilt wie für jeden Konvertiten: Er muß zeigen, daß er das Dazugehören auch beherrscht. Da muß er sich anstrengen und abstrampeln – Tätigkeiten, die unweigerlich auf den Stil gehen: Würdig auf dem Bauch liegen ist nun mal schwierig. Also muß Fischer den Stil, den er nicht hat, simulieren, ostentativ – was wiederum das Gegenteil von Stil ist. So wird er, wie Scharping, ebenfalls zum Komiker wider Willen.

Der Schauspieler und Schriftsteller Hanns Zischler bemerkte kürzlich, Fischer sehe aus wie der boshafte Zwilling von Mister Bean. Es liegt an der Lesebrille, die Fischer ständig im Knautschke-Gesicht trägt – auch dann, wenn er gar nichts zu lesen hat. Sichtlich glaubt Fischer, eine Lesebrille lasse ihn klug aussehen, weise womöglich, seriös jedenfalls, wichtig, staatsmännisch. Deshalb sitzt ihm das Ding ständig so auf der Nase wie der ganze Mann dem Leben: sinnlos, aber präsent.

Als Fischer kürzlich seinen abgeschmackten Herrenring wieder einmal gegen den Ehering tauschte und in Folge dessen von Paparazzi belästigt wurde, verglich er sein Schicksal mit dem der adligen Friseuse Diana Spencer – eine schöne Gelegenheit, noch einmal das Lied zu singen, das Elton John einst über Marilyn Monroe schrieb, das er aber, nachdem das Duo Di & Dodi in Paris getunnelt worden war, äußerst flink umwidmete und so passend machte, daß es seiner, wie er betonte, „Freundin“ Diana zum gesungenen Kranzgebinde, zum klingenden Beerdigungstelegramm gereichte. Vielleicht kann der ehemalige Brillensammler Elton John ja noch einmal für den Halbbrillenträger Fischer tätig werden: „Good-bye, Frankfurt's Rose ...“ Passen tät's.

Bleibt Gerhard Schröder, der Mann mit der Maske. Tunnelblick und zwanghaftes, festgesteppt wirkendes Lächeln sind, neben Nullsprech, seine Markenzeichen. Außer den Niedersachsen, speziell den Insassen Hannovers, Leuten also, die ihn kannten und genau deshalb loshaben wollten, hat kaum jemand den Mann gewählt – denen, die für ihn stimmten, ging es vielmehr darum, endlich das Monstrum Kohl zu entfernen, egal wie erbärmlich die Alternative war. Die Leute wollten Kohl, dieses permanente Zuviel, einfach nicht mehr sehen. Sie waren weniger seiner Politik überdrüssig als seiner Erscheinung. Mit Schröder haben sie sich einen angeschafft, der, wie es modern ist, politisch in der Nähe jeder Fernsehkamera steht. So ist Gerhard Schröder sogar noch lästiger als sein Vorgänger. Seine Methode heißt „Steter Tropfen höhlt das Hirn“: durch ständige Anwesenheit alles andere ersticken. Geändert hat sich nichts – nur die Anzüge, die das Personal trägt, sind protziger geworden und aggressiver. Die spinnen, die Anzüge! Kann man die nicht einfach mal weghängen? Wiglaf Droste