Jetzt amtlich: Sicherheit tiefer gelegt

■ Gutachten bestätigt, daß die Kleinen im Fahrradanhänger sicherer sind als im Kindersitz

Mal ehrlich: Würden Sie sich in einem niedrigen Gestell aus Kunststoff durch das Verkehrschaos einer Großstadt chauffieren lassen? Zwei Handbreit über dem Asphalt, den Kopf in Höhe der Pkw-Stoßstangen? Wohl kaum. Genau dies aber tun Zigtausende von Eltern täglich ihren Kindern an – sie transportieren ihren Nachwuchs in einem der etwa 130.000 hierzulande benutzten Fahrradanhänger.

Doch von Fahrlässigkeit kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Wird ein Kind mit dem Fahrrad transportiert, ist der Anhänger der sicherste Platz. So das Fazit eines vom Bundesministerium für Verkehr in Auftrag gegebenen Gutachtens. Erstellt von der Bundesanstalt für Straßenwesen und dem RWTÜV Essen mit Unterstützung mehrerer Anhängerhersteller.

Hauptziel der Untersuchung war es, neue Erkenntnisse zur passiven Sicherheit der Fahrradanhänger zu gewinnen. Es wurde außerdem verglichen, ob die Mitfahrer im Kindersitz oder im Anhänger weniger gefährlich leben. Nicht zuletzt hat das Gutachten den Herstellern Prüfmethoden an die Hand gegeben, mit denen die Gefährte schon in der Konstruktionsphase sicherer gemacht werden können. Demnächst soll auf der Basis der Ergebnisse eine DIN-Norm für sichere Fahrradanhänger vorliegen.

Bemerkenswert ist wohl vor allem, daß die Kinder-Dummies bei keinem der Versuche aus dem Hänger geschleudert wurden, was ein Überfahren auf der Straße zur Folge haben könnte. Erfreulich auch, daß „in der Regel kein direkter Kontakt zwischen Pkw und Anhängerinsassen stattfand“. War eine winkelbewegliche Kupplung vorhanden, blieb der Anhänger auch dann stehen, wenn das Zugfahrrad kippte. Insgesamt sei „die Gefahr des Überfahrens von Kindern und Anhänger durch den Pkw“ als gering einzustufen.

Weiter stellten die Tester fest, daß zwar „Kontakte“ im Innenraum eines Anhängers bei fast allen Versuchsvarianten vorkamen, diese aber „keine hohen Belastungen darstellen“. Nennenswerte Verletzungen seien daraus nicht abzuleiten. Mängel stellten die Gutachter bei Naben und Radaufhängungen fest, die alle der Wucht des Aufpralls nicht standhielten. „Konstruktive Mängel“ fanden sie auch bei den Gurtsystemen, den Verstell- und Befestigungsösen sowie den Nähten. Zu geringe Kopffreiheit, die die Verletzungsgefahr erhöht, wurde bei einigen Testfahrzeugen moniert.

Wesentlich kritischer sei der Transport der Sprößlinge auf einem am Fahrrad montierten Kindersitz. Positiv aufgefallen ist hier lediglich die Unversehrtheit „beim Erstanprall im Oberkörper- und Kopfbereich des Kindes“. Bei fast allen Crash-Versuchen zeigte sich, daß die „Kinder direkten Kontakt zur Fahrbahn“ hatten. Das heißt, die im Sitz verbleibenden Kinder kippen mitsamt dem Rad um und verletzen sich häufig im Schulter- oder Kopfbereich. Das Verletzungsrisiko erhöht sich, wenn das Velo oder dessen Fahrer auf das Kind fallen. Mit besonders schweren Verletzungen sei beim Herausschleudern des Kindes aus dem Sitz zu rechnen.

Allerdings war es aufgrund der geringen Versuchszahl nicht möglich, abschließend zu werten. Durch die vorliegenden Ergebnisse über die „passive Sicherheit der Transportmöglichkeiten“ ist aber der Schluß möglich, daß „tendenziell der Transport im Fahrradanhänger weniger gefährlich ist“.

Ein klareres Fazit hat in diesem Punkt die Schweizerische Beratungsstelle für Unfallverhütung gezogen: „Unter den gängigen Transportmöglichkeiten ist die Verletzungsgefahr in einem guten Fahrradanhänger am geringsten. Vom Mitführen eines Kindes auf einem Sitz im Lenkerbereich ist abzuraten.“ Florian Heckhausen