Freudiges Schlüsselerlebnis

■ FC St. Pauli siegt 1:0 gegen den FC Gütersloh am Millerntor. 14.000 begeisterte Hamburger Fans entdecken alte Rituale neu

Die Schlüsselbunde klappern wieder beim Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli. Als Zeichen der Vorfreude von der Hamburger Fangemeinde bei jedem Eckball der eigenen Elf zelebriert, wurde das uralte Ritual beim 1:0 (1:0)-Erfolg gegen den FC Gütersloh am Freitag aufgewärmt – ein Schlüssel-Erlebnis. Es stimmte wieder am Millerntor. Rund 14.000 Anhänger fieberten mit ihrem Team und hatten somit großen Anteil am bislang wichtigsten Sieg dieser Saison.

Ob es die 70-Meter Abschläge von FC-Schlußmann Carsten Wehlmann waren, die technischen Kabinettstückchen des emsigen Thomas Meggle oder die Gütersloher Torschußversuche ins Seitenhaus – alles schien den endlich anfeuernden Zuschauern zu gefallen. Daß Ivan Klasnic bereits nach einer Viertelstunde sein zweiter Profitreffer und der goldene Schuß gelang, brachte die Stimmung auf die optimale Betriebstemperatur.

Der FC St. Pauli bot Abstiegskampf, der ebenfalls um den Klassenverbleib spielende FC Gütersloh unterstrich seine chronische Auswärtsschwäche und spielte harmlos wie ein Absteiger. Lediglich Elberfeld (31.) und Omodiagbe (83.) sorgten für kurzzeitige Orientierungslosigkeit in der ansonsten stabilen Pauli-Abwehr. „Das war natürlich viel zu wenig“, bilanzierte Gäste-Coach Jürgen Gehlsdorf, der zumindest einen Zähler hatte mitnehmen wollen.

Sein Hamburger Kollege Willi Reimann verwies auf den Statistikrekord, den seine Mannschaft für diese Spielzeit aufgestellt hatte. „Wir haben zum zweiten Mal hintereinander zu Hause gewonnen. Hoffentlich bekommt man das mit.“ Gerettet aber, betonte Reimann, ist der Verein noch lange nicht. Das gilt auch in Sachen Lizenzvergabe. Immer noch wartet der Kiez-Klub ungeduldig auf die Zusage des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), auch in der nächsten Saison professionellen Fußball spielen zu dürfen.

„Ursprünglich hatte ich unmittelbar nach dem Einreichen der Verträge mit einem positivem Bescheid seitens des DFB gerechnet“, sagte FC-Präsident Heinz Weisener, der eine Patronatserklärung über drei Millionen Mark zur Rettung des verschuldeten Vereins unterzeichnet hat. In zweiter Instanz erwartet er aber keine Probleme: „Wir schaffen sportlich wie wirtschaftlich den Klassenerhalt.“

Von der baldigen Rückkehr zur Erstklassigkeit will Weisener hingegen nichts wissen. „Das können wir uns finanziell gar nicht leisten.“ Zunächst solle das 100 Millionen Mark teure Stadion gebaut werden, namhafte Verstärkungen werde es somit nicht geben, verriet das Vereinsoberhaupt.

Ein vermeintlich einfaches Restprogramm mit sechs Spielen gegen Teams aus der unteren Tabellenhälfte läßt derzeit alle dezent optimistisch in die Zukunft schauen. Hinzu kommt die Tatsache, daß gegen Gütersloh „phasenweise ansprechend kombiniert wurde“, was selbst Trainer Reimann überraschte. Am Sonntag geht es mit gestärktem Selbstvertrauen zu Energie Cottbus. An alle Fans: Schlüssel einpacken. Oliver Lück