Schutzgeld von Papi für die Mafia

■ Der Publikumsliebling Venus Williams besiegt im Finale der German Open die planlose Mary Pierce. Das Match war zwar zu glatt, um spannend zu sein – aber es gibt ja noch die Biographie

Das ist gemein. Nicht nur, daß Venus Williams gestern im Finale der German Open die Französin Mary Pierce mit einem klaren 6:0 und 6:3-Erfolg am Hamburger Rothenbaum düpierte und die Siegprämie von 80.000 Dollar einsackte. Nein, zu allem Überfluß stupste die 18jährige Amerikanerin auch noch „unsere“ Steffi Graf von Platz fünf der Tennis-Weltrangliste.

Abseits dieser Meldung hatte allerdings die lustige Gemeinschaft der Sportjournalisten in dieser Turnierwoche ein hartes Brot zu knabbern. Denn nach den Absagen illustrer Branchenführer der Damentennis-Welt wie Steffi Graf oder Anna Kournikova versprühten die garantiert charismafreien Jana Novotna und Andrea Glass den spröden Charme schnöder Langeweile auf dem Centre Court. Schön, daß es da noch Venus Williams gab. Die perlengeschmückte Spielerin aus Los Angeles sorgte zumindest für etwas Abwechslung bei dem mit insgesamt 520.000 Dollar dotierten Filzkugel-Cup.

Wie alle Spiele in diesem Turnier brachte sie gestern auch das Finale gegen die allerdings leicht am Rücken verletzte Mary Pierce satzverlustfrei in knapp einer Stunde hinter sich. Fast die gesamte Fachwelt hatte ein spannendes Match erwartet. Pustekuchen. Zu dominant zeigte sich Venus Williams auf dem Platz. Mit ihren harten Aufschlägen und der berüchtigten Präzision ihrer Grundschläge ließ sie die sichtlich überforderte Mary Pierce nie ernsthaft ins Spiel kommen. Lediglich beim Stand von 0:6 und 0:3 raffte sich die Französin auf, zumindest noch einige ihrer Aufschlagspiele mit Ach und Krach zu gewinnen.

So bleibt den emsigen Schreiberlingen nicht viel anderes übrig, als die LeserInnen wie schon nach dem 6:1 und 6:3 von Williams im Halbfinale gegen Sanchez-Vicario mit kleinen Kostproben aus dem Fundus martialischer Kraftausdrücke zu traktieren.

Das klingt dann ungefähr so: Im ersten Satz „erschoß“ Venus Williams ihre Gegnerin durch ihren knallharten Aufschlag. Das Tempo und die Härte ihrer Schläge „erdrückten“ die Gegnerin förmlich.Ansonsten gibt es nur noch die Möglichkeit, mit delikaten Details aus der Biographie von Venus Williams aufzuwarten.

Und da hat die wahlweise als „Ghetto-Cinderella“ oder „Venus-Falle“ titulierte designierte Nummer eins der Weltrangliste einiges zu bieten. Besonders entzückend ist die Mär vom besorgten Tennis-Papa Richard Williams, der, um seinen Töchtern das streßfreie Üben mit den gelben Filzkügelchen im Ghetto von Los Angeles zu erleichtern, der Mafia etwas Schutzgeld zuschob.

Da schaudert's das Publikum angesichts des Hauches von Verwegenheit in der keimfreien Welt des Centre Courts. Bei der dünnen Nachrichtenlage verwundert es auch nicht, wenn die brisante Tatsache, daß Venus Williams mittlerweile „Haben Sie einen Kugelschreiber?“ fehlerfrei auf deutsch sagen kann, zur Top-Meldung avancierte.

Turnierdirektor Günter Sanders indes ficht das Ganze wenig an. Er freute sich über das gute Wetter und seine positive Bilanz: „Wir können dieses Jahr endlich wieder eine Zuschauerzahl von 40.000 erreichen. Und es gab tolles Tennis.“ Wirklich? Eilfertig sprang ihm Karl-Otto Lang vom Titelsponsor beiseite. Der Mäzen verlängerte den Geldgebervertrag um ganze drei Jahre. Da lacht die Sonne über dem Rothenbaum. Matthias Anbuhl