Vanitas in Plexiglas

■ Künstleruhren können transformieren! Beispielsweise Zeit in beispielsweise Geld

Um auf Anhieb zu erkennen, ob ein Künstler ausgebrannt ist, ideenmüde, kreativitätslahm, ob seine beste Zeit vorbei ist, muß man bloß einmal auf die Uhr sehen – die Armbanduhr, die der in Frage stehende Künstler gestaltet hat.

Zum Beispiel Hundertwasser. Wer ihn vor Jahren oderJahrzehnten für einen vielleicht mystisch-verschrobenen, jedoch in Umwelt- und Sozialbelangen schwer engagierten Kunstschaffenden hielt, wird durch einen einzigen Blick auf die Hundertwasser-Armbanduhr sofort davon überzeugt, daß die multiinterpretationsfähigen Schlangenmuster des Friedensreichen nur einen Zweck haben können: die Transformation metaphysischer Kategorien wie beispielsweise Zeit in physisch Faßbares wie beispielsweise Geld. Oder Otmar Alt. Wer ihn früher für einen naiven, jedoch in Sachen höherer Heiterkeit noch legitimen Bürokalendervorlagenlieferanten in Nachfolge Miròs hielt, wird durch einen Blick nur auf die Otmar-Alt-Armbanduhr nachhaltig davon überzeugt, daß der Bunte-Tiere-Abstrahist heute kaum mehr den Eignungstest für die Dekoentwurfabteilung eines Duschvorhangherstellers schaffen dürfte.

Und nun Klaus Staeck. Wer ihn früher für einen etwas sauertöpfischen, jedoch schärfstkritischen Entlarvungs-Bildmonteur in Sinn und Stil John Heartfields hielt, der sollte jetzt mal auf die Uhr gucken. Die Uhr, die Staeck in – Achtung, Sammler aufgepaßt! – „weltweiter“ (warum nicht gleich galaxisumspannender?) Gesamtauflage von 1.000 Exemplaren à 125 Mark knapp über Swatch-Discountpreis anbietet. „Die Uhr zur Zeit“, wie es – Achtung: Bedeutungsdoppelboden! – in Staecks Kunstversandhauskatalog heißt.

Wie aber sieht sie aus, die Uhr zur Zeit vom zeitkritischsten Künstler aller Nachkriegszeiten? Wie ein Labyrinth. Ein kleiner Irrgarten verschlungener plexigläserner Wege führt übers Zifferblatt, darin rollt eine Kugel hin und her und bedeutet – ja, was? Daß unsere Zeit verwirrter ist denn je? Daß heute hier und morgen dort der Weg verläuft? Daß wir, im Labyrinth verlaufen, am Ende nur ein Spielball sind? Daß wir als solcher hin- und hergerollt zu werden drohen am Schlenkerarm der großen Zeitdiebe: Wirtschaft und Kapital? Und daß sich dieses wiederum nur dann vermeiden läßt, wenn wir kritische Köpfe werden, querdenkende Charakterschädel mit Ekken und mit Kanten, die verhindern, daß wir selbstkontrollelos rumkugeln im gläsernen Gefängnis unserer fremdbestimmten Lebenszeit?

Schon möglich, daß die Uhr all dies bedeuten will. Wahrscheinlicher jedoch zeigt sie nur: Der kreativen Phase letzte Stunde hat auch bei Staeck endgültig nun geschlagen – er kann jetzt bitte mit dem Kunstgewerbe aufhören, bevor er einem nur noch auf den Zeiger geht. Walter Filz

Was soll das alles bedeuten? Daß unsre Zeit verwirrter ist denn je? Daß heute hier, morgen dort der Weg verläuft?