Kriegsverbrecher verurteilt

■ Der deutsche Bundesgerichtshof spricht zum ersten Mal einen serbischen Milizenführer wegen Völkermordes in Bosnien schuldig

Karlsruhe (taz) –Zum ersten Mal hat ein deutsches Gericht am Freitag rechtskräftig eine Verurteilung wegen Völkermordes ausgesprochen. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte im wesentlichen eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf, das den serbischen Milizenführer Nikola Jorgic zu lebenslanger Haft verurteilt hatte.Der Serbe, der 23 Jahre in Deutschland gelebt hatte und mit einer Deutschen verheiratet ist, war 1992 nach Bosnien in die Region Doboj zurückgekehrt. Er wurde zum Anführer einer paramilitärischen Gruppe, die in Abstimmung mit den serbischen Machthabern bosnische Muslime tötete, brutal mißhandelte und vertrieb. Insgesamt werden Jorgic 30 Morde zur Last gelegt. Der Bundesgerichtshof bestätigte zudem die besondere Schwere der Schuld. Damit ist auch eine Entlassung nach 15 Jahren Haft ausgeschlossen.

Seine Verteidiger bestritten vor dem BGH, daß es sich bei den Terrorakten um Völkermord gehandelt habe. Sie verwiesen darauf, daß § 220 a des Strafgesetzbuches auf der Genozid-Konvention von 1948 beruht, die sich auf die nationalsozialisitschen Greueltaten bezogen habe. Demnach müsse man die Vernichtung der Juden in Deutschland zur Meßlatte nehmen. Was in der Region Doboj geschehen sei, sei nicht die „physische Vernichtung“, sondern Vertreibung mit Tötungen gewesen. Dagegen entschied der BGH, daß auch dies unter Völkermord zu verstehen sei. § 220 a bestraft Taten, die in der Absicht vorgenommen werden, eine soziale Gruppe zu zerstören. Außer Tötungshandlungen fallen darunter auch die Verhinderung von Geburten oder das Zufügen schwerer körperlicher oder seelischer Schäden.

Zum ersten Mal entschied der BGH auch, daß das Verbrechen, das Ausländer im Ausland begehen, nach dem sogenannten Weltrechtsprinzip in Deutschland verfolgt werden kann. Auch das hatten die Verteidiger mit dem Hinweis auf die Konvention bestritten, die außer Gerichten des Heimatstaats des Angeklagten internationale Tribunale für zuständig erklärt. Der Dritte BGH-Strafsenat kam zu dem Ergebnis, daß dies nicht ausschließe, daß ein Kriegsverbrecher nicht auch vor anderen Gerichten angeklagt werden könne. Der Vorsitzende Richter Klaus Kutzer wies darauf hin, daß sonst die Verfolgung des Verbrechens praktisch nur bei einem Systemwechsel im Heimatstaat möglich gewesen sei. Denn das Tribunal in den Haag könne höchstens zehn Fälle im Jahr bearbeiten. Deshalb komme den nationalen Gerichten das Schwergewicht der Aufarbeitung der Kriegsverbrechen zu. Er wies darauf hin, daß die Anklagebehörde des Den Haager Tribunals den Fall Jorgic abgelehnt und seine Verfolgung in Deutschland ausdrücklich begrüßt habe. Die dafür notwendige Verbindung zu Deutschland sei bei Jorgic mit seinem langen Deutschlandaufenthalt und seiner Verhaftung im Inland gegeben. Eine allgemeine Aussage, unter welchen Voraussetzungen ausreichende Kontakte zu Deutschland vorliegen, traf der Senat nicht. Das Urteil ist das zweite in Deutschland gegen einen jugoslawischen Kriegsverbrecher. Das BBayerische Oberste Landesgericht hatte 1997 eine Haftstrafe von fünf Jahren wegen Beihilfe zum Mord an 15 Moslems verhängt. Eine Anklage ist in einem weiteren Fall vorgesehen. Gudula Geuther