Fragen nur schriftlich

■ Innenminister verweigern Gesellschaft für bedrohte Völker Zugang zu Flüchtlingen

Die Innenministerien der Länder wollen eine von der Gesellschaft für bedrohte Völker geplante Befragung von Flüchtlingen aus dem Kosovo nicht unterstützen. Nach Angaben des niedersächsischen Innenministeriums haben sich die Ministerien bereits vor zehn Tagen in einer der routinemäßigen Schaltkonferenzen darauf geeinigt, der Gesellschaft für bedrohte Völker für die Befragung nach erlittenen Menschenrechtsverletzungen keinen Zutritt zu den Unterkünften der 10 000 Kosovo-Flüchtlinge zu gewähren, die die Bundesrepublik in den letzten Wochen aufgenommen hat.

Der Vorsitzende der in Göttingen ansässigen Gesellschaft, Tilman Zülch, sprach am vergangenem Donnerstag von einer „unerträglichen Bevormundung der Opfer von ethnischer Säuberung und Genozid“ und kündigte an, sich über die Entscheidung der Innenministerien hinwegzusetzen und in dieser Woche mit der Befragung zu beginnen. Die Entscheidung der Innenministerien sei Amtsmißbrauch.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker übe auch gegenüber demokratischen Regierungen eine Kontrollfunktion aus. Die Bundesregierung sei im Kosovo-Konflikt Kriegspartei. Die offiziellen Angaben zu Menschenrechtsverletzungen seien parteilich, und Recherchen unabhängiger Institutionen notwendig, schrieb Zülch vergangenen Woche in einem offenen Brief in die Innenminister der Länder.

Der Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums begründete die Entscheidung gegen die Befragung am vergangenem Freitag mit der „Fürsorgepflicht gegenüber den aufgenommenen, meist schwer traumatisierten Flüchtlingen“.

Die Kosovo-Flüchtlinge würden bereits mehrfach nach ihren schrecklichen Erlebnissen befragt, und dieses belaste sie bereits erheblich, sagte Ministeriumssprecher Jürgen Wittenberg. Flüchtlinge würden etwa der Befragungsstelle des Bundes, die eine Dienststelle des Bundesnachrichtendienstes sei, Auskunft geben. Außerdem wolle das Bundesaußenministerium alle Flüchtlinge für das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag befragen.

Der Gesellschaft für bedrohte Völker sei es im übrigen möglich, den Flüchtlingen Fragebogen per Post zuzusenden oder diese außerhalb der Unterkünfte zu interviewen, um an die begehrten Informationen zu kommen. Eine weitere Befragung innerhalb der Unterkünfte durch die Gesellschaft für bedrohte Völker, die von den Flüchtlingen als Verpflichtung empfunden werden könne, lehnten die Innenministerien jedoch ab. Jürgen Voges