Pfau und Flötist

Legendäre Typen, okayes Konzert: Herbie Mann am Sonntag mit seinem illustren Brazilian Project in der Fabrik  ■ Von Detlef Diederichsen

Nur Art Van Damme und Johnny Teupen waren noch schlauer: Jazz auf dem Akkordeon oder auf der Harfe – das konnte ihnen bislang keiner nachmachen. Die Flöte ist da nicht ganz so exklusiv – Yusef Lateef, Roland Kirk oder Jeremy Steig mußte Herbie Mann als Konkurenten neben sich dulden. Freilich konnte keiner von ihnen auf so einen Crossover-Hit wie Manns Memphis Underground verweisen.

Das erstaunliche an dem Erfolg dieses Stücks ist, daß es eigentlich fast kein Stück ist. Gerade im Vergleich mit anderen Jazz-Standards wirkt das Thema von Memphis Underground – ein Akkord, fünf Töne, zehn Sekunden Länge – wie die Wüste Gobi gegen den Garten Eden. Es war vor allem der Prä-Disco-Funky-Drummer-Groove, der das Stück 1970 zu einem der ersten Dauerbrenner der entstehenden Diskotheken-Kultur machte. Dabei spielte es sicherlich auch eine Rolle, daß sich hier jeder Mucker viel gnadenloser in Extase gniedeln konnte, als wenn er anspruchsvolle Jazz-Akkordfolgen hätte beachten müssen.

Am Sonntag in der Fabrik war Memphis Underground eher ein Fremdkörper. Mann präsentierte sein Brazilian Project, und das Repertoire rekrutierte sich aus Stücken brasilianischer Komponisten wie Ivan Lins, Dori Caymmi oder Luiz Gonzaga. Der heimliche Star des Abends stand jedoch nicht in der Frontlinie, die sich Mann mit dem Mundharmonika- und Vibraphonexperten Hendrick Meurckens teilte: Mann und Meurckens hatten eine original brasilianische Rhythmusgruppe eingeflogen, der auch der berühmte Bossa-Nova-Schlagzeuger Claudio Slon angehörte. Mitte der 60er kam er mit dem Trio des Organisten Walter Wanderley nach Los Angeles, und gleich die erste dort entstandene Aufnahme, Summer Samba, wurde ein echter Megahit.

Slon ist auch heute noch eine Schau. In größtmöglicher Gelassenheit spielt der weißhaarige ältere Herr verfeinerte brasilianische Beats, die in auffälligem Gegensatz zu seiner Leibesfülle stehen. Ein großer Genuß war es auch, ihn bei Memphis Underground zu hören, das mit einem bossa-artigen Groove begann, um bei einem mitreißenden Funk-Beat zu landen.

In der Pause backstage angesprochen, erzählte er bereitwillig über die fröhliche Zeit an der Seite des großen Orgel-Originators und tragischen Trinkers Wanderley und freute sich wie ein Kind über die ihm überreichte, vor zwei Jahren von Motor veröffentlichte Compilation der klassischen Wanderley-Titel. Ansonsten war das Konzert – nun ja, ganz okay. Herbie Mann ist trotz des Alters von 70 Jahren immer noch ein pfauenhafter Geck und verbot dem Publikum unter Androhung des Konzertabbruchs das Rauchen. Meurckens und er lieferten amtliche, aber nicht spektakuläre Soli ab, Highlights setzte am ehesten noch der Gitarrist Romero Lumbabo, während Bassist Sizão Machado auf seinem sechssaitigen Instrument eher nervte. Slons Performance rechtfertigte jedoch auch den Eintrittspreis von 35 Mark, und wäre die Fabrik auf die Idee gekommen, seine Beteiligung unter der nicht kleinen Hamburger Wanderley-Fangemeinde zu promoten, wäre der Raum sicherlich auch nicht halbleer geblieben.