Russisch in den Zeiten des Krieges

Kritischer Text sorgt für Streit im Sprachunterricht. Dann wird die Lehrerin gekündigt  ■ Von Elke Spanner

Erwachsene Menschen „mit Nadelstreifenanzügen“ seien es gewesen, sagt Valentina Oxen. Gebildet. Teils hochrangige Angestellte. Seit sechs Jahren bereits in ihrem Russisch-Kursus. Und hätten sie angeschrien, „das habe ich noch nicht erlebt“. Nur, weil die Russisch-Lehrerin einen Artikel zur Lektüre mitgebracht hatte, in der Michail Gorbatschow die Teilnahme der Bundeswehr an den Bombardierungen auf Jugoslawien verurteilte. Das war am Freitag vor zwei Wochen. Am Montag darauf kam die Kündigung von der Firma „Coutinho Caro + Co“, Veranstalterin des Kurses.

Seit 1993 unterrichtete Valentina Oxen auf Honorarbasis MitarbeiterInnen des Betriebs. Ihrer unvermittelten Entlassung eine Begründung beizufügen, hielt der Leiter der Abteilung Rechnungswesen nicht für erforderlich. „Mit sofortiger Wirkung“ werde der Russisch-Unterricht eingestellt, schrieb G. Kadow lediglich, und daß bereits die Stunden in der laufenden Woche ausfallen würden. Einen Zusammenhang mit der vorausgegangenen Stunde, in der Oxen sich wegen ihrer indirekten politischen Stellungnahme von den KursteilnehmerInnen beschimpfen lassen mußte, will er nicht bestätigen: „Das kann nur Zufall sein“. Wohl habe er von der erhitzten Diskussion gehört. Ob sich jemand über Frau Oxen beschwert habe? „Bei mir nicht.“

Kadow behauptet, das Unternehmen habe sich schlicht entschieden, den Unterricht einzustellen, weil es zu wenig TeilnehmerInnen gebe. Juristisch sei sein Vorgehen völlig korrekt, sagt er, denn Oxen habe einen Honorarvertrag gehabt, der jederzeit in der vorgenommenene Form kündbar sei – ohne Begründung oder Vorankündigung. „Über den Stil kann man vielleicht streiten.“

Die Russischlehrerin war mittlerweile bei der Öffentlichen Rechtsauskunft. Die dortige Juristin habe ihr bestätigt, daß das Vorgehen auch juristisch nicht haltbar sei, sagt sie. Das Argument, daß zu wenig SchülerInnen an dem Kursus teilgenommen hätten, sei eindeutig vorgeschoben. Drei FirmenmitarbeiterInnen seien schließlich seit sechs Jahren in ihrem Unterricht. Der sollte vor einem Jahr schon einmal eingestellt werden, aus Kostengründen. Damals erklärten sich die TeilnehmerInnen sofort bereit, sich an den Kosten zu beteiligen, so daß die Stunden weitergeführt werden konnten. Danach sei sogar noch eine Schülerin hinzugekommen, betont Oxen.

Bei der damaligen Vertragsauflösung hatte die Firma außerdem ausführlich den Grund dargelegt und geschrieben: „Wir dürfen darauf hinweisen, daß vorgenannte Entscheidung allein aufgrund firmeninterner Belange getroffen worden ist und nicht als Ausdruck von Unzufriedenheit über unsere langjährigen Beziehungen zu verstehen ist“.