Die Innenbehörde – ihrer Zeit voraus

■ Türken, die in Bremen eingebürgert werden, müssen versprechen: Solange ich in Deutschland lebe, beantrage ich nicht erneut zusätzlich den alten Paß. Im Gesetz steht davon (noch) nichts

Eigentlich wollten die Eheleute Gülsen und Nurretin Demir am 19. April feiern. Einige Tage zuvor hatten die beiden einen Brief der Bremer Innenbehörde bekommen: Ihrem Antrag auf Einbürge-rung war zugestimmt worden. Die beiden Türken wollten am 19. ihre neuen Papiere abholen.

Doch als sie in der Behörde vorsprachen, sollten sie auf einmal eine Erklärung unterschreiben: die Einbürgerung würde widerrufen, wenn sie später von Deutschland aus erneut die türkische Staatsbürgerschaft zusätzlich beantragen würden. „Im Gesetz ist ein solches Versprechen nirgends vorgesehen“, beschwerte sich der Jurist und Übersetzer Nurettin Demir. Daß er seinen türkischen Paß für die Einbürgerung abgeben muß, ist festgeschrieben. Nicht jedoch das Versprechen, nie wieder einen türkischen Paß neu zu beantragen. Doch die Beamten blieben nach Demirs Darstellung hart: Entweder eine Unterschrift, oder die Einbürgerung werde abgelehnt. Das Ehepaar zog deshalb unter Protest und der Androhung von juristischen Schritten wieder ab, ohne zu unterschreiben.

Noch nie war gegen die Regelung laut protestiert worden. Als die Behörde im Fall Demir Ärger witterte, lenkte sie kleinlaut ein. Mit Datum 20. April wurde ein Brief an das Ehepaar verfaßt: Die Unterschrift unter die Erklärung sei „rechtlich nicht zwingend“, habe eine Erörterung im Hause ergeben. Die Einbürgerungsurkunden könnten jetzt abgeholt werden. Inzwischen hat das Ehepaar Demir die Papiere, die es zu Deutschen machen, überreicht bekommen. Dennoch hat das Ehepaar Demir das Verwaltungsgericht angerufen, um klären zu lassen, ob die Behörde ein solches Versprechen verlangen darf.

Die Innenbehörde möchte auch in Zukunft nicht auf die Erklärung verzichten. Dort wird die Unterschrift als Hinweis auf Rechtsvorschriften gewertet: Damit sei den Eingebürgerten bekannt, „daß sie bei einem anschließenden Wiedererwerb der ursprünglichen Staatsangehörigkeit dem Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatlichkeit zuwider handeln würden“, erklärt die Innenbehörde. Doch das muß nicht zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit führen.

Die Türkei läßt die Doppelstaatsbürgerschaft nach wie vor zu. Eine große Anzahl von Ex-Türken, die in Deutschland leben, beantragen nach ihrer Einbürgerung wieder einen türkischen Paß – meist aus emotionalen Gründen. Bis 1994 war der Hauptgrund für die Ex-Türken, daß so Erbschafts- und Kaufrechte in der Türkei wiedererworben wurden. Doch inzwischen gesteht die Türkei mit einer „rosa Karte“ den ehemaligen Staatsangehörigen viele Bürgerrechte auch so zu. Wie viele Menschen in Deutschland beide Staatsangehörigkeiten haben, daß weiß niemand so genau.

Para-doxer-weise wird sich die Rechtslage für Betroffene verschlechtern, sobald die rot-grün-gelbe Reform des Staatsangehörigkeits-rechtes am 1.1. 2000 in Kraft tritt. Dann werden Ex-Türken, die ihre alte Staatsangehörigkeit von Deutschland aus beantragen, automatisch ihre frisch gewonnenene deutsche Staatsbürgerschaft verlieren. Die Bremer Innenbehörde – ihrer Zeit voraus.

Als „vermutlich überflüssig“ bezeichnete der Sprecher der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), die Bremer Regelung. Jurist Demir ist übrigens überzeugt, daß er vor Gericht erstreiten kann, daß die alten Erklärungen aus den Akten getilgt werden.

Kontakt Rechtsanwalt Nurretin Demir Tel.: 0172-4256750

Christoph Dowe