Alternativlosigkeit auf beiden Seiten

■ Die Kreuzberger Bündnisgrünen suchen nach Gegenkonzepten zu Nato-Bomben

„Alternativlosigkeit“ heißt die Leitlinie, mit der die Bündnisgrünen in Bonn derzeit dem Einsatz der Nato-Bomben gegenüberstehen. Am Sonntag ließen sich Bundesvorstand und Fraktion diese Sicht von Experten in einer Anhörung bestätigen. Nach „Alternativen“ suchte man dennoch, am selben Abend in Berlin. Die Kreuzberger Bündnisgrünen, erklärte Gegner des Regierungskurses, luden zur homogen angelegten Podiumsdiskussion: „Diesen Angriffskrieg tragen wir hier alle nicht mit“, eröffnete die Berliner Abgeordnete Barbara Oesterheld die Diskussion. „Die Frage des Abends ist, was können wir an Gegenpositionen bieten ?“

Denn nicht nur handfeste Aktionen im „Gegenwahlkampf“ gelte es zu planen, sondern eben auch Alternativkonzepte für einen Frieden auf dem Balkan zu entwikkeln. „Deadline“ dafür ist der 13. Mai, der Sonderparteitag der Bündnisgrünen.

Doch während man in Bonn durch Politikwissenschaftler und Friedensforscher Beistand erhielt, schmorten die Berliner Alternativen vor allem im eigenen Saft. Statt in der dreistündigen Diskussion konstruktiv Ideen zu entwikkeln, beschränkten sich Diskutanten und Publikum auf die polemische „Herleitung des Scherbenhaufens, vor dem wir stehen“, sowie auf die Bestimmung des persönlichen Standortes. Hier galt, von „Kriegstreiber“-Rufen bis zu „Solidarität mit Miloevic“-Parolen, zuweilen das Recht des Lauteren. Fragen wie die nach dem Sinn eines Wirtschaftsboykotts waren schnell vom Tisch.

Doch ganz ohne Expertenwissen wollten auch die Berliner Grünen nicht in medias res gehen. Christian Herz von der Kampagne gegen die Wehrpflicht lieferte die militärischen Details, „die den Grünen leider fehlen“, wie Oesterfeld bemerkte. Daran anschließend aber entwickelte Herz vornehmlich Zukunftsszenarien um künftige Rohstoffkriege. Auch die „Standortbestimmung“ der Kreuzberger Grünen kam von außen. Bernd Ladwig, Politikwissenschaftler an der Humboldt-Universität, faßte sie knapp zusammen: „Die Wahrung der Menschenrechte ist eines der grünen Prinzipien. Die Partei ist aus gutem Grund zerstritten.“

Das gilt eben auch für Berlin: Während der Europaabgeordnete Wolfgang Ullmann gestern in einem Fernsehinterview sagte, er erwarte vom Sonderparteitag eine „deutliche Unterstützung“ des Regierungskurses, und forderte, daß „die Not der Flüchtlinge im Mittelpunkt stehen“ muß, tat diese es in der Debatte der Kreuzberger Grünen nicht. Ilka Schröder, Grünen-Kandidatin für das Europaparlament, wollte statt dessen eine „Umkehr der Beweislast“: „Wofür wird gebombt, wenn Rambouillet tot ist?“

Kreuzbergs grüner Bürgermeister Franz Schulz forderte, auf dem kommenden Parteitag ein Zeichen zu setzen: „Die Schlußfolgerung aus einer Entscheidung gegen die Nato-Bomben ist, Joschka Fischer abzusetzen und damit die Koalition zu beenden.“ Eine positives Parteitagsvotum für den Regierungskurs nannte Schulz hingegen „eine Katastrophe.“ Ergebnis der laut Barbara Oesterheld „wenig konstruktiven“ Diskussion vor etwa hundert Zuhörern: Auch die pazifistischen Kreuzberger Grünen prägt „Alternativlosigkeit.“ Christoph Rasch