„Flensburg ist nur Zweiter“

Der routinierte Gewinn der deutschen Handballmeisterschaft wird dem THW Kiel durch das Scheitern des schleswig-holsteinischen Erzrivalen versüßt  ■   Aus Kiel Christoph Ruf

Auch Siegen kann zur Routine werden. „Wie jedes Jahr bitten wir den Präsidenten des Deutschen Handball-Bundes, Herrn Uli Strombach, zur Siegerehrung in die Hallenmitte“, tönte es aus dem Lautsprecher. Unter dem Beifall von 7.000 Fans überreichte Strombach THW-Kapitän Magnus Wislander die Meisterschale – zum fünften Mal in den vergangenen sechs Jahren. Mit 35:22 hatten die Kieler am Sonntag den VfL Gummersbach besiegt.

Daß doch noch so etwas wie Ausgelassenheit bei Anhang und Spielern aufkam, lag erstens an der grandiosen Leistung, die die „Zebras“ am letzten und entscheidenden Spieltag zeigten: Bereits nach vier Minuten stand es 5:0 für die Kieler. Zweitens freuten sich viele Fans, dem Rivalen aus dem Norden eins ausgewischt zu haben. Mit der SG Flensburg-Handewitt hatte sich ein Verein aus der Nachbarschaft die gesamte Spielzeit über erdreistet, dem Branchenkrösus die Meisterschaft streitig machen zu wollen. Der Versuch mißlang endgültig erst am Sonntag, als die SG nicht über ein 26:26 bei der HSG Dutenhofen hinauskam. Allein die Tatsache, daß Flensburg monatelang an der Tabellenspitze lag, wurde in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt jedoch als Majestätsbeleidigung gewertet. So tönte es am Sonntag denn auch hämisch: „THW ist Meister, Flensburg ist nur Zweiter, Lemgo ist nur Dritter, oh, wie ist das bitter.“

Während die einen noch die Meisterschaft feierten, sprachen andere schon von wesentlicheren Zielen. „Jetzt möchte ich den Pokal der Gewinner sehen“, ließ Kiels Trainer Zvonimir Serdarusic keinen Zweifel daran, daß der nationale Wettkampf primär als Qualifikation für die Champions League von Bedeutung ist. Und auch Manager Uwe Schwenker, der stets eine höhere Professionalisierung der Bundesliga anmahnt, freut sich auf den europäischen Wettbewerb. „Wir wären aber auch ohne die Champions League nicht in finanzielle Schwierigkeiten gekommen.“

Die hat bereits jetzt ein Großteil der deutschen Spitzenvereine in der Handball-Bundesliga. Der TV Niederwürzbach kündigte bereits seinen „freiwilligen“ Rückzug aus der Eliteklasse an – zur Deckung des Etats fehlt eine Million, auch dem TuS Nettelstedt droht die Lizenzverweigerung. Mindestens zehn der 50 Vereine, die für die kommende Spielzeit eine Lizenz beantragt haben, erhielten die Zulassung zur teuersten Liga der Welt nur unter strengen Auflagen. Heinz Jacobsen, Vorsitzender des Ligaausschusses, blickt dennoch optimistisch in die Zukunft: „Es hat ein Umdenken eingesetzt. Die finanziellen Belastungen resultieren insbesondere aus der Vergangenheit.“

Ebenfalls in der Vergangenheit gründen die Belastungen im Verhältnis der THW-Anhänger zu „ihrer“ Ministerpräsidentin. Die gilt als glühende Anhängerin des „Underdogs“ aus Flensburg und wird in der Kieler Ostseehalle traditionell mit Pfiffen begrüßt. Gestern kam es nicht dazu: Heide Simonis hatte sich im Fernduell zwischen Flensburg und Kiel auf neutrales Terrain zurückgezogen. Während sich die „Bayern der Liga“ mit Champagner übergossen, weilte die SPD-Regierungschefin an der Lübecker Lohmühle, wo der ortsansässige VfB ein Fußballspiel gegen Oldenburg gewann. Statt Champagner gab's Holsten-Pilsener – von internationaler Klasse wahrlich keine Spur.