Frauen wollen in jedem Fall lästig bleiben

Das Berliner Zentrum für interdisziplinäre Frauenforschung lud anläßlich seines zehnjährigen Bestehens zu einer Podiumsdiskussion viele Frauen und einen Mann. Das Interesse am weiblichen Wissenschaftsnachwuchs blieb dabei sachbezogen, da er selbst fehlte  ■   Von Anja Brockmann

Wer vor 15 Jahren an der Uni eines der wenigen Frauenseminare besuchen wollte, mußte auf jeden Fall erstens Frau und zweitens ungeschminkt sein. Das zarte Pflänzchen Frauenforschung wurde in geschützten Räumen gehegt, sorgsam abgeschirmt, vor allem seitens der Feministinnen auch gegen interessierte Frauen mit Wimperntusche und Lippenstift.

Inzwischen ist die Frauenforschung längst institutionalisiert und gehört zum festen Bestandteil der Berliner Universitäten. Gelegenheit also für die verdienten Vorkämpferinnen, einmal Bilanz zu ziehen. Das taten sie am Montag abend im Senatssaal der Humboldt-Universität bei einer Podiumsdiskussion, zu der das Berliner Zentrum für interdisziplinäre Frauenforschung (ZiF) anläßlich seines 10jährigen Bestehens eingeladen hatte.

Doch richtige Feierstimmung wollte nicht aufkommen. Zwar seien die Fragestellungen der Frauenforschung heute in vielen Disziplinen aktuell, konstatierte Irene Dölling von der Universität Potsdam. Und selbst in den Literaturlisten männlicher Professoren tauchten immer häufiger auch Bücher aus der Frauen- und Geschlechterforschung auf. Doch eine wirkliche Einbindung und Etablierung der Frauenforschung sei ebenso wenig gelungen wie die durchschlagende Veränderung der universitären Strukturen zugunsten der Frauen. Noch immer hinge die Frauenforschung an unsicheren Fördertöpfen, über die Männer entscheiden, kritisierte Johanna Kootz von der Zentraleinrichtung zur Förderung von Frauenstudien und Frauenforschung an der Freien Universität Berlin. Und Carola Sachse, Vertreterin der Förderkommission Frauenforschung der Senatsverwaltung, erinnerte daran, daß selbst bei Neubesetzungen von Lehrstühlen in Berlin die Frauenquote erst bei 12 Prozent liege.

Schuld daran sei nicht zuletzt die Frauenforschung selbst, donnerte Peter Döge vom Institut für anwendungsorientierte Innovations- und Zukunftsforschung und Alibi-Mann auf dem Podium den Frauen entgegen. Die Erweiterung von der Frauen- zur Geschlechterforschung sei nicht wirklich gelungen, weil Männer dabei noch immer weitestgehend ausgeklammert würden. „Damit stellen sich die Frauen selbst ins Abseits.“ Auch Birgit Rommelspacher, Professorin an der Fachhochschule Alice Salomon, zeigte sich selbstkritisch: „Wir müssen uns durchaus die Frage stellen, in wieweit die Frauenforschung zur Reproduktion der Geschlechterrolle selbst beiträgt.“ Einrichtungen wie Frauen-Unis könnten die Geschlechterdifferenz geradezu institutionalisieren. Und Claudia Neusüß vom Feministischen Institut der Heinrich-Böll-Stiftung mokierte sich darüber, daß die Analysen der Frauenforschung zu selten in politische Handlungsanweisungen übersetzt würden.

Damit stand einmal mehr die Frage nach neuen Strategien im Raum. Und die brauche man längst nicht nur, „um die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen“, wie es Karin Hausen vom Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der Technischen Universität Berlin formulierte. Sondern vor allem, um die Frauenforschung in die nächste Generation hinüberzuretten. Denn die jungen Frauen hätten einen „anderen Zugang und andere Fragen an die Frauenforschung“, hieß es vage. Und deshalb faßte man sie erst einmal unter dem Begriff der „Konsumentinnengeneration“ zusammen, für die eines kennzeichnend sei, meinte Hildegard Maria Nickel (Humboldt-Uni): „Sie handelt nach einem anderen Lustprinzip.“

Was sich an diesem Abend insofern bestätigte, als daß die derart Verunglimpften keine Lust hatten, dieser Veranstaltung beizuwohnen. Und so wurde wieder einmal über sie, aber nicht mit ihnen geredet. Eine Tatsache, die auf dem Podium übrigens nicht weiter irritierte. Vielleicht, weil das Interesse am Nachwuchs weniger subjekt- als sachbezogen war.

Und über die gemeinsame Sache war man sich einig: der Fortbestand der Frauenzentren. Dementsprechend formulierte Carola Sachse als nächsten wichtigen Schritt den Gewinn der Senatswahlen im Herbst, um Fördergelder zu retten. Und Karin Hausen ermunterte dazu, auch weiterhin die Strategie des „Lästig bleiben“ zu fahren.

Allein Claudia Neusüß, nicht zufällig die Jüngste im Podium, forderte, nicht nur Bestehendes zu wahren und auszubauen, sondern Kräfte zu bündeln unter dem Aspekt, was für die Zukunft wichtig ist. Statt „die Schieflagen zu bejammern“, sollte die Frauenforschung „ihre Ergebnisse als zukunftsfähiges Wissen vermarkten“. Nach dem Motto: think positive könne man auch den nötigen Imagewandel vollziehen, um die jungen Frauen zurückzugewinnen. Ob das aber reicht, die „Frauenforschung nicht in die Ecke der esoterischen und elitären Zirkel abgleiten zu lassen“, wie Hausen forderte, darf bezweifelt werden.