Vorsichtige Worte von Romano Prodi

Bei seiner Antrittsrede vor dem Europaparlament kündigt der designierte Chef der EU-Kommission Reformen an. Auch der Balkan soll zurück die europäische Familie geholt werden  ■   Aus Straßburg Daniela Weingärtner

Zwiespältige Stimmung herrscht unter den Europaparlamentariern in ihrer letzten Sitzungswoche vor der Wahl am 13. Juni. Einerseits sind Romano Prodis Antrittsrede gestern und das Parlamentsvotum über ihn heute Zeichen der gewachsenen Macht des Parlaments. Zum ersten Mal wird eine EU-Kommission nach den neuen demokratischen Spielregeln des Vertrags von Amsterdam gewählt.

Andererseits drückt Europas außenpolitisches Versagen im Vorfeld des Kosovo-Krieges schwer auf die Straßburger Stimmung. Romano Prodi leitete seine Rede mit der Forderung nach einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und nach mehr europäischem Profil auf der internationalen Bühne ein.

Er forderte außerdem eine Politik, die innerhalb der Gemeinschaft einen Raum von Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit schafft. Wie es bereits auf dem Nato-Gipfel in Washington angeklungen sei, müsse Europa zu einer eigenständigen Verteidigungspolitik kommen. Dabei sei ein ähnliches Modell denkbar wie bei der Währungsunion.

Prodi billigte die Nato-Angriffe, die durch die Helsinki-Akte und die Paris-Charta gerechtfertigt seien. „Systematischer Armee-Einsatz gegen eine Zivilbevölkerung ist nicht tolerierbar und muß hart bestraft werden“, sagte der designierte Kommissionspräsident.

Aber Europas Rolle im ehemaligen Jugoslawien dürfe nicht bei der militärischen Lösung stehenbleiben. Deshalb regt Prodi eine internationale Balkankonferenz an, um die ganze Region auf Dauer zu stabilisieren.

Sobald die Phase der Gewalt vorbei und die jugoslawische Föderation in die europäische Familie zurückgekehrt sei, könne die Europäische Union eine Schlüsselrolle im Friedensprozeß spielen. Vorsichtig deutete Prodi an, daß eine dauerhafte Friedenslösung für den Balkan ohnehin nur innerhalb der Europäischen Union denkbar sei.

Auch auf die Krise der europäischen Institutionen, die ja dazu geführt hat, daß jetzt vorzeitig eine neue Kommission gewählt werden muß, ging Prodi ausführlich ein. Er fordert, die Kommission gegenüber Rat und Parlament deutlicher als bisher abzugrenzen und ihre politische Rolle zu stärken. Auch die Teamarbeit zwischen den Kommissaren müsse verbessert werden.

Außerdem sei es dringend nötig, die Grauzonen zwischen politischer und administrativer Ebene aufzuhellen. Kabinettschefs sollten nicht länger nach Länderproporz sondern nach sachlichen Erfordernissen ernannt werden. Nur so könnten sie ihre Aufgabe erfüllen, den Kommissaren zuzuarbeiten. Die Generaldirektionen wiederum brauchen nach Prodis Überzeugung mehr verwaltungtechnische Eigenständigkeit, um gut arbeiten zu können.

Sehr allgemein blieb der designierte Kommissionspräsident beim Thema Wachstum und Beschäftigung. „Wenn meine Amtsperiode im Jahr 2005 endet, wird der europäische Bürger schon mehr als drei Jahre Euro-Kleingeld in der Tasche haben.“ Im Augenblick allerdings nehme die Euro-Euphorie spürbar ab. Deshalb müßten bei der Beschäftigungspolitik rasch sichtbare Fortschritte erzielt werden.

Mit schwindender Euro-Euphorie schlagen sich derzeit auch Europas Abgeordnete herum. Sie bedachten Prodis vorsichtige Rede mit vorsichtigem Beifall. Einerseits haben viele die Erfahrungen mit der über Skandale gestolperten Santer-Kommission mißtrauisch gegenüber Reformversprechen gemacht. Schließlich hatte auch Jacques Santer in seiner Amtszeit als Chef der Kommission mehrere Anläufe unternommen, die Kommission transparenter und wirkungsvoller zu machen.

Andererseits müssen sie Zuversicht demonstrieren gegenüber den Reisegruppen aus ihren Heimatwahlkreisen. Denen soll schließlich das demokratische Europa vorgeführt werden, damit sie am 13. Juni zur Wahl gehen.