Krise und Katharsis

■ Nicht immer wird die Filmform politisch: Das B-Movie zeigt diesen Monat Filme aus und über Vietnam

Der Vietnamkrieg war der erste medial ausgetragene Krieg. Über die Bildschirme flackerten täglich Bilder von den barbarischen Bombardements der B-52 – jenen unüberhörbar sich über den Wolken nähernden Bombern, die heute über Sebien im Einsatz sind. Trotz einer massiven Anti-Kriegsbewegung schien die Gleichzeitigkeit der Repräsentation für das amerikanische Kino aber bis in die 80er Jahre eine geradezu lähmende Wirkung gehabt zu haben.

Maßgeblichen Anteil am Comin' Home des Krieges hatten die Filme von Oliver Stone, in denen Vietnam als Kastration und Fegefeuer ein zentrales, nationalmythologisches Versatzstück in der Rede über Krise und Katharsis von God's Own Country' bildet. Sein Zwischen Himmel und Hölle bildet den Abschluß seiner Vietnam-Trilogie und den Auftakt der Reihe im B-Movie.

Nach zwei Filmen mit militärischen Protagonisten versuchte Stone darin, die Erzählperspektive einer Vietnamesin zu übertragen, ohne allerdings eine andere, allenfalls eine unglaubwürdigere Geschichte zu erzählen. Gehört ihr auch die Stimme aus dem Off, wurde ihr von Stones Kamera der Blick längst entzogen, bevor der eigentliche Film beginnt. Mit dem ersten Helikopterschwenk wird Vietnam zum musikalischen Eso-Kitsch Kitaros als fremdartig-schönes Land inszeniert, das zunehmend allein zur Austragungsfläche eines durch und durch amerikanischen Identitätsproblems wird. Das weibliche Melodram der stets erduldenden Heldin mündet dabei geradezu zwangsläufig im männlichen von den Seelenqualen des GIs Tommy Lee Jones, der auch unmerklich erzählerisch die Zügel übernimmt, um den Vereinigten Staaten in ihrer vermeintlichen geschichtsphilosophischen Tragik ein Gesicht zu geben. Die Leidensgeschichte Vietnams kann für Stone nämlich nur jene sein, die der Krieg in die Herzen Amerikas geschlagen hat.

Die jenen Orientalismus ausmachende Feminisierung des Anderen durchzieht ebenfalls – wenn auch weit weniger chauvinistisch – The Killing Fields, das von der Suche eines New-York-Times-Reporters nach seinem Dolmetscher erzählt, der für einige Jahre in den Umerziehungslagern der kambodschanischen Roten Khmer verschwand. So grauenhaft deren Steinzeitkommunismus bildet er am Ende doch nur die Kulisse für ein Buddy Movie, das erst mit der Ankunft in Amerika wieder Sinn macht und von verschlagenen, dummen oder leidenden Asiaten bevölkert wird.

Eine sich ästhetisch als modernistisches Montagekino formulierende Kritik am US-Imperialisimus in Vietnam tritt im von Chris Marker organisierten Kollektivfilm Loin Du Vietnam (Fern von Vietnam) auf den Plan. Jean-Luc Godard – hinter einer Hollywoodkamera wie an einer Flak sitzend – fordert, auch die Filmform und –praxis politisch werden zu lassen. Joris Ivens liefert dazu Aufnahmen von den Listen des Vietcongs, dessen Alltag er in Der 17. Breitengrad zu einem zurückhaltenden und dennoch virtuos rhythmisierenden Klassiker des Dokumentarfilms montierte, in dem Schrauben von Wrackteilen an Fahrräder wandern – dazwischen footage von Demonstrationen, Castro und US-Militärs.

In Alain Resnais' Spiel-Episode schließlich monologisiert ein zweifelnder Intellektueller über die Modeabhängigkeit der Opfer in der Linken. Weil Loin du Vietnam auch darin recht behalten hat, kann eine Vietnam-Reihe nicht vollständig sein, ohne einen nicht amerikanischen gegenwärtigen Blick auf die Geschichte und Auswirkungen des Krieges. Den liefern unterschiedlich direkt die vietnamesischen Filme Das Mädchen am Fluß und Sehnsucht nach der Landschaft. Warum die Linke, die sich Vietnam ganz nahe fühlte, heute in der Regierung sitzt, läßt sich allerdings mittels der Filmkritik bisher kaum klären.

Tobias Nagl

Zwischen Himmel und Hölle: Do, 6.; So, 8.; So, 9. Mai, 20.30. The Killing Fields: Do, 13.; Sa, 15.; So, 16. Mai, 20.30 Uhr. Das Mädchen am Fluß: Do, 20.; Sa, 22.; So, 23. Mai. Der 17. Breitengrad: Sa, 22.; So, 23. Mai, 18 Uhr. Nostalgie de la campagne: Do, 27.; Sa, 29.; So, 30. Mai, 20.30 Uhr. Eine Reise durch Vietnam, Laos und Kambodscha: Sa, 29. Mai, 18 Uhr, B-Movie