Die Bremer Kinotaz ... ... alle Filme, alle Termine

A

8 MM USA 1998, R: Joel Schumacher, D: Nicolas Cage, Joaquin Phoenix

Ein Paradebeispiel dafür, wie ein Drehbuch aus dem Ruder laufen kann. Bis zur letzten halben Stunde ist dies ein solider Thriller über einen Privatdetektiven, der herausfinden soll, ob auf einem Schmalfilm, den eine reiche Witwe im Tresor ihres eben verstorbenen Mannes findet, wirklich eine junge Frau ermordet wurde. Aber plötzlich gibt es da einen völlig unglaubwürdig und grotesk wirkenden Anruf des Detektiven bei der Mutter des Opfers, beide weinen sich minutenlang etwas vor, und von diesem Moment an kann man keine Szene des Films mehr ernstnehmen. Man ist nur noch peinlich berührt darüber, daß man bis hier hin dem Regisseur auf den Leim gekrochen ist. Joel Schumacher hat mit der Brechstange versucht, den Plot jenen archetypischen Mythen anzugleichen, nach denen in Hollywood so gerne die Skripts gestrickt werden. Aber selbst Nicolas Cage kann mit all seiner Schauspielkunst den kruden Übergang vom toughen Detektiven zum Übermenschen nicht kaschieren, und so säuft der Film schließlich unrettbar in unfreiwilligen Lachern ab. (hip) CinemaxX, UT-Kinocenter

Aimée & Jaguar Deutschland 1999, R: Max Färberbock, D: Maria Schrader, Juliane Köhler, Heike Makatsch

„Deutschland 1943: Die lesbische Jüdin Felice (Maria Schrader) lebt im Untergrund, arbeitet bei einer Zeitung und verführt die vierfache Mutter Lilly Wurst (Julianne Köhler). Die Geschichte ist wahr, Frau Wurst, 85, lebt heute in Berlin. Der Film leidet an Eitelkeit und Pathos. Julianne Köhler aber, Theaterbesuchern ohnehin ein Begriff, ist als sture, treue Musterdeutsche eine Entdeckung. (Der Spiegel) UT-Kinocenter, Filmstudio, Ziegelhof (Ol)

Arlington Road USA 1999, R: Mark Pellington, D: Jeff Bridges, Tim Robbins

„Arlington Road spielt in einem der feineren Vororte von Washinton DC, wo der verwitwete Geschichtsprofessor Faraday mit seinem neun Jahre alten Sohn lebt. Neue Nachbarn, der Architekt Oliver Lang, seine Frau und ihr 10jähriger Sohn, ziehen ein und eine Freundschaft entwickelt sich. Eine lange, unheilvoll wirkende Einstellung läßt ahnen, daß Michael, der Kurse in Terrorismus gibt, tief verstört ist, besessen von Verschwörungstheorien, und daß Olvier eine zweifelhafte Vergangenheit hat, vielleicht sogar einen Bombenanschlag auf ein Justizgebäude in St. Louis geplant und ausgeführt hat. Ist Michael nur paranoid, oder hat der glatte Oliver Schlimmes mit seinem Nachbarn vor? Dies ist ein sehenswerter Beitrag zu dem vertrauten Genre der „Verschwörungs-Thriller“. Aber die Konstruktion macht es notwendig, daß wir alles mit Michaels Augen sehen, und so bleibt der interessanteste Charakter des Films, Oliver, leider unerforscht - eine mysteriöse Chiffre.“ (The Observer) Filmstudio

Asterix & Obelix gegen Caesar Frankreich/Deutschland 1998, R: Claude Zidi, D: Gérard Depardieu, Christina Clavier, Gottfried John

„Und? Ist der Film gut? Sagen wir mal so: Richtig schlecht ist er nicht. Als von den Trickfilmen gebannter Fan wird man eindeutig angenehm überrascht. Ausstattung und Kostüme sind den Heftchen liebevoll nachempfunden, die Darsteller – neben den Titelhelden vor allem Gottfried John mit aufgesetztem Römerzinken als Caesar und Roberto Benigni als Intrigant Destruktivus – braucht sich nicht hinter den Kollegen von „Familie Feuerstein“ zu verstecken. Auch fliegen die Leginonäre nach Ohrfeigen und Kinnhaken ungefähr so durch die Luft, wie man sich das bei der Comic-Lektüre immer ausgemalt hatte ... aber genau da, bei den Special effects, muß die Mäkelei einsetzen, denn so manche Tricks – etwa der mit dem Elefanten in der Arena – sehen wirklich zu hausbacken aus, da erwartet der verwöhnte Kinogänger Ende der 90er Jahre von einer internationalen Großproduktion deutlich bessere Effekte, zudem es am Geld offenbar nicht gefehlt hat. Dringend muß auch die Inszenierung bekrittelt werden, die über weite Strecken flau und seltsam lustlos daherkommt, als habe es Regieroutinier Claude Zidi allemal ausgereicht, die hübsch verkleideten Darsteller in den wunderschön aufgebauten Sets ihre Figuren ins Bild zu bringen und die allseits bekannten Zeilen aufsagen zu lassen.“ (Zitty) CinemaxX, UT-Kinocenter, Lindenhof (Wildeshausen), Wall-Kinos (OL), Solitaire (Westerstede)

Auf die stürmische Art USA 1999, R: Bronwen Hughes, D: Ben Affleck, Sandra Bullock, Maura Tierney

„Der Spießer Ben ist auf dem Weg zu seiner Hochzeit, doch das Flugzeug hat eine Panne. Und während Bens Braut ungeduldig im beschaulichen Savannah wartet, muß der Zukünftige auf seiner Anreise Prüfungen aller Art bestehen: Naturkatastrophen, Männerstrip und vor allem die Bekanntschaft mit der verführerischen Sarah, einer Frau mit frecher Klappe und wundem Herzen. Diese modisch aufgemotzte Screwball-Komödie witzelt mit angezogener Handbremse, doch den Hauptdarstellern Ben Affleck und Sandra Bullock gelingen ein paar funkelnde Momente.“ (Der Spiegel) CinemaxX, UT-Kinocenter, Gloria (Del), Wall-Kinos (Ol)

B

The Blues Brothers USA 1980, R: John Landis, D: John Besushi, Dan Akroyd, James Brown, Aretha Franklin

„Dies ist ein Monument von Verschwendung, Lärm und mißgeleiteter Coolness, aber der Film hat auch seine sympathisch abgedrehten Momente. Er hat nur ein Tempo – halsbrecherisch – und erlaubt dem Publikum weder zu atmen, noch sich auszuruhen oder Interesse für irgendwen oder irgendwas zu entwickeln.“ (James Monaco) Filmstudio

Der Bremen-Film 1871-1945 Bremen 1998, R: Ulrich Scholz

In der ersten halben Stunde sind Handel und Wandel allzusehr im Vordergrund des Films: Wer wann wo was produziert, importiert, exportiert oder verkauft hat, ist ein recht dröger Lehrstoff. Die Bilder von Hafenanlagen an der Schlachte, von Fachwerk-Speichern oder den dichtumdrängten Verkaufsständen auf dem Marktplatz sind zwar echte Fundstücke, verblassen aber fast angesichts der monoton daherredenden Erzählerstimme. In der zweiten Hälfte gibt es zum Glück auch Bilder vom Alltag in der Stadt, von Künstlern, dem Verkehrsgewimmel auf der Brillkreuzung usw. (hip) Schauburg

Bremen tanzt – 30 Jahre Bremer Tanztheater Bremen 1999, R: Heide-Marie Härtel

Diese Videocollage zeigt u. a. unveröffentlichste Aufnahmen vom Anfang der 70er Jahre und begleitet die Protagonisten Hans Kresnik, Reinhild Hoffmann, Gerhard Bohner bis hin zu Probeaufnahmen zu den Produktionen von Susanne Linke und Urs Dietrich Schauburg

Buffalo 66 USA 1998, R: Vincent Gallo, D: Vincent Gallo, Christina Rici, Anjelica Huston

„Fünf Jahre saß Billy Brown im Gefängnis für eine Tat, die er nicht begangen hat. Seinen Eltern hat er vorgegaukelt, er sei im Auftrag der Regierung unterwegs. Um bei seiner Heimkehr eine Schwiegertochter präsentieren zu können, entführt er kurzerhand die Tänzerin Layla. Die Kindfrau mit den großen Augen weicht ihrem Kidnapper von nun an nicht mehr von der Seite. Doch das ist mehr emotionale Nähe, als Billy ertragen kann. Das sehenswerte Regiedebüt des Schauspielers Vincent Gallo ist absurd und melancholisch, inspiriert von Cassavetes, Bunuel, Scorsese und rosarotem Hollywoodkitsch.“ (tip) Filmstudio

C

Celebrity USA 1998, R: Woody Allen, D: Kenneth Branagh, Melanie Griffith, Leonardo DiCaprio

„Schwieriger Fall, dieser neue Woody-Allen-Film: Alles schon dagewesen, aber immer noch gut. Der Stoff ist nach wie vor unterhaltsamer und intelligenter als das meiste, was wir sonst zu sehen kriegen, immer noch gibt es die derzeit angesagtesten Stars in frischen Rollen (hier: Di Caprio und Winona Ryder), wir können uns wie sonst den unterhaltsamen Neurosen schöner Frauen in voyeuristischem Interesse nähern, und wir sehen uns in Allens Filmen immer noch selbst zu: mit unseren moralisch fragwürdigsten Seiten. Der Film mit 242 Sprechrollen und 5128 Statisten beschäftigt mehr Personal als jeder seiner Vorgänger, Prominente geben sich für Gastauftritte die Klinke in die Hand. Das Ergebnis wirkt etwas übererregt. Es ist brilliant, trotzdem sieht es aus, als sei es gleichsam im Vorbeigehen gedreht, mit rauen Strichen gezeichnet – als Skizze, nicht als Gemälde, und mit Stereotypen, nicht mit realen Personen. Es ist auch kein Zufall, daß die typische Allen-Figur hier von Kenneth Branagh gespielt wird, diesem Schauspieler, der das Kunststück fertigbringt, authentisch einen ganzen Film lang die typischen Woody-Allen-Dialoge in vollendet verwirrter Hektik abzusondern und dabei nicht ein einziges Mal komisch zu wirken.“ (epd-film) Schauburg, Apollo (Whv)

D

Dr. Dolittle USA 1998, R: Betty Thomas, D: Eddie Murphy, Oliver Platt

„Wie schon in „The Nutty Professor“ wird Eddie Murphy hier wieder von den Special Effects an die Wand gespielt. Die versammelte Tierwelt bewegt mindestens ebenso synchron die Lippen wie die Viecher Ufa-Palast

E

Eight Millimeter USA 1998, R: Joel Schumacher, D: Nicolas Cage, Joaquin Phoenix / Originalfassung ohne Untertitel

Originaltitel und -fassung von „8 MM“. Kurzkritik siehe dort. UFA-Palast

Ein wahres Verbrechen USA 1999, R: Clint Eastwood, D: Clint Eastwood, Isaiah Washington

„Clint Eastwood kann es nicht lassen. Als Regisseur und Hauptdarsteller macht er sich wieder einmal auf, die Überreste des amerikanischen Traums zusammenzukehren. Er spielt den zynischen, saufenden Journalisten Steve Everett, der einen Justizirrtum aufdeckt und damit einen Mann vor der Hinrichtung bewahrt. Die Ahnungen und das Zaudern des kaputten Schnüfflers werden psychologisch stimmig erzählt. Spannung kommt allerdings erst am Schluß auf. Eastwood hat wie immer solide Arbeit abgeliefert und mit einem verzeihlichen Schuß Eitelkeit versehen: der Mann wird älter, seine Filmpartnerinnen nicht.“ (Der Spiegel) Europa, CinemaxX

Elizabeth Großbritannien 1998, R: Shekhar Kapur, D: Cate Blanchett, Christopher Eccleston, Geoffrey Rush, Fanny Ardant

In England wetzen die Besserwisser schon die Messer, um dem Regisseur Shekhar Kapur all die historischen Fehler seines Films über die „jungfräuliche Königin“ Elisabeth I vorzuhalten. Dabei hatten die Produzenten ihn ja gerade darum engagiert, weil er als Inder nicht den Bildungsballast mit sich herumschleppte, der einen britischen Regisseur niedergedrückt hätte. „Sie wollten einen ignoranten und chaotischen Regisseur“, so Kapur souverän kokett in Venedig. Und der hat ihnen nun ein wundersames Stück Kino hingesetzt: Spannend wie ein Thriller, grandios ausgestattet und mit einer feinen Balance zwischen blutigen Hofintrigen und dem psychologisch tiefen Portrait einer Frau, die dazu gezwungen wird, Macht auszuüben, und dafür ihre Identität und ihr Glück opfern muß. Cate Blanchett verkörpert die Königin wunderbar intensiv und vielschichtig: zugleich dünnhäutig, energiegeladen und später eiskalt. Dies ist alles andere als ein Kostümschinken. (hip) Filmstudio

E-M§il für Dich USA 1998, R: Nora Ephron, D: Tom Hanks, Meg Ryan

„Seit „Schlaflos in Seattle“ gelten Tom Hanks und Meg Ryan als Dream-Team des Biedersinns. Nun spielen sie zwei Buchhändler, die sich erbittert Konkurenz machen, aber im Internet unwissentlich eine innige Freundschaft pflegen. Die beiden Schauspieler zappeln mit geöltem Charme durch das Remake des Lubitsch-Klassikers „The Shop around the Corner“. Trotzdem fehlt dieser Romanze ein wenig Herzblut, da halfen auch nicht die paar Millionen Dollar, mit denen der Online-dienst AOL den Film gefördert hat.“ (Der Spiegel) CinemaxX, Solitaire (Westerstede), Wall-Kino (Ol)

F

The Faculty USA 1998, R: Robert Rodriguez, D: Jordana Browster, Josh Harnett

„Bodysnatchers unterwandern die Herrington High School, bemächtigen sich erst der Lehrer und dann der Schüler. Sechs Kids versuchen, die Allien-Invasion zu verhindern. Robert Rodriguez war kaum mehr als ein Auftragsregisseur für diesen neuen Coup von Kevin „Scream“ Williamson. Erneut bietet Hollywoods zur Zeit smartester Drehbuchautor jede Menge Pop-, Film- und selbstreferentielle Zitate auf, um den jugendlichen Horror auf dem College-Campus zu illustrieren.“ (tip) UFA-Palast, CinemaxX

Faust Deutschland 1925, R: Friedrich Wilhelm Murnau, D: Gösta Ekman, Emil Jannings, Camilla Horn / Stummfilm mit live gespielter Musikbegleitung

„Murnaus Faust-Version, eine Mischung aus der alten Volkssage und Goethes und Marlowes Variationen, läßt den metaphysischen Kampf zwischen Gut und Böse an der Zeitenwende vom Mittelalter und Irreligiösität erscheinen und deutet Faust als den ersten modernen Menschen mit freier Willensentscheidung und einem Bekenntnis zur Allmacht der Liebe. In seiner letzten Arbeit für die Ufa, bevor er nach Hollywood ging, gestaltete Murnau den klassischen Stoff als Licht- und Schattenspiel, das die Perfektion des deutschen Stummfilmkinos noch einmal suggestiv auskostete: ein Film voller spielerischer Freude am Phantastischen.“ (Lexikon des internationalen Films) Kino 46, (mit Live-Music-Performance im Casablanca)

Das Fest Dänemark 1997, R: Thomas Vinterberg, D: Ulrich Thomsen, Thomas Bo Larsen

Thomas Vinterbergs „Das Fest“ steht in einer lange Reihe von Romanen, Theaterstücken und Filmen, bei denen eine Familienfeier im Mittelpunkt steht, auf der schön langsam und dramatisch die schlimme Wahrheit über eine Familie ans Licht kommt. Aber so radikal wie hier wurde ein Clan selten seziert, so aufwühlend traute sich bisher kaum ein Regisseur, den Witz neben die Tragödie zu setzen. (hip) Cinema, Apollo (Whv)

G

Das große Krabbeln USA 1998, R: John Lasseter

„Der zweite komplett computeranimierte Walt-Disney-Film: ein Volltreffer. Der Überlebenskampf einer Ameisenkolonioe wird witzig erzählt, die Animationen sind ein technisches Wunderwerk. Regisseur John Lasseter hat es genau richtig gemacht: kein Animationsfilm für Erwachsene, sondern ein Märchen, um das Eltern ihre Kinder beneiden. Spielbergs „Antz“ sehen da ziemlich alt aus.“ (Der Spiegel) CinemaxX

Gustaf Gründgens Faust Deutschland 1960, R: Peter Gosrski, D: Gustaf Gründgens, Will Quadflieg

„Wer wissen will, woran die neuste Inszenierung des Bremer Theaters sich messen lassen muß, sollte sich diese zwar eher dröge abgefilmte dafür mit Spitzenschauspielern besetzte Theateraufführung des Klassikers antun. Gustaf Gründgens inszenierte diese damals enthusiastisch gefeierte Version des Stückes im Deutschen Schauspielhaus und spielte darin natürlich mit dem Mephisto auch die Rolle seines Lebens. Der Film wirkt heute doch sehr verstaubt, aber das Charisma von Gründgens schimmert immer noch durch.“ (hip) Atlantis

H

Hamam – Das türkische Bad Italien/Türkei/Spanien 1997, R: Ferzan Ozpetek, D: Alessandro Gasman, Francesca D'Aloja

„Ein römischer Architekt erbt von seiner Tante ein Hamam, ein türkisches Bad, und fährt, um es zu verkaufen, nach Istanbul. Angezogen von Stimmungen und Menschen, bleibt er und restauriert den Hamam. Seine Frau reist ihm nach und findet ihren Mann verändert vor. Das Erstlingswerk eines italienisch-türkischen Regisseurs weist zwar formale Mängel auf und endet klischeehaft tragisch. Doch erzählt es atmosphärisch dicht von einer Selbstfindung dank Sinnlichkeit und kreativer Langsamkeit orientalischer Lebensweise.“ (Zoom) Cinema

Happiness USA 1998, R: Todd Solondz, D: Jane Adams, Dylan Baker, Lara Flynn Boyle, Ben Gazzara

„Eine schwarze Satire über die Suche dreier Schwestern nach dem persönlichen Glück. Doch statt diesem finden sie Einsamkeit und erschreckende menschliche Tragödien und Abgründe. Der Film ist eine atemberaubende Mischung aus Humor und Horror, ein Hochseilakt der Gefühle, der am Schluß, trotz der ernsten Themen, die der Film anschneidet, mit einem hoffnungsvollen Twist endet.“ (Zoom) City

Heart Großbritannien 1999, R: Charles McDougall, D: Christopher Eccelston, Saskia Reeves, Kate Hardie

„Skurill schaurige Stories wie diese können garantiert nur Engländer aushecken. Gleich zum Auftakt ein erster Schock: eine freundliche Frau im Zug, „Tickets please“ sagt der nette Schaffner – ganz unbeeindruckt, daß die Lady eine bluttriefende Tüte mit einem Menschenherz mit sich führt. Das Herz gehörte ihrem Sohn. Der war nach einem Motorradunfall klinisch tot, und Maria gab sein Herz zur Organspende frei. Vollends zur Tragödie entwickelt sich die Geschichte, als der Herzempfänger Gary mit Maria Kontakt aufnimmt. Die schleicht sich nun immer mehr in Garys Leben ein, schließlich schlägt in ihm ja das Herz ihres Sohnes. Jungfilmer Charles McDougall inszenierte den schrägen Krimi mit vergnüglich vielen Wendungen und enormem Einfallsreichtum. Zimperliche Zuschauer seien aber gewarnt: Wer kein Blut sehen kann, sollte bei den dokumentarischen Szenen einer Herztransplantion besser wegsehen.“ (Bremer) City

I

Ich weiß immer noch, was Du letzten Sommer getan hast USA 1998, R: Danny Cannon, D: Jennifer Love Hewitt, Freddy Prinze Jr.

„Kein klassisches Genre ist so anfällig für Fortsetzungen wie der Horrorfilm, man denke nur an „Halloween“ und Freddy Krüger. Da man die Leiche des Fischmantel-tragenden Enterhaken-Killers in „Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast“ nie gefunden hat, sind die Alpträume von Julie, der adretten Überlebenden aus Teil I, nicht unbegründet. Aber war schon der ersten Teil alles andere als eine Neuerfindung des Gebres, so erleben wir hier die üblichen Morde inklusive Buh-Effekt - schön einer nach dem anderen und zwischendurch auch ziemlich blutig. Ironie sucht man hier genauso vergebens wie dramaturgische Kniffe.“ (Zitty) CinemaxX, UFA-Palast, Lichtspielhaus (Del)

Idioten Dänemark 1998, R: Lars von Trier, D: Bodil Jorgensen, Jens Albinus

„Bei Fans von „Breaking the Waves“, die sich mehr von dem Gleichen erhoffen, wird „Idioten“ einen Schock auslösen. Eine Gruppe von jungen Leuten benimmt sich während ihres Urlaubs wie geistig behinderte Patienten. Dies führt zuerst zu drastischen Konfrontationen mit der Außenwelt und dann zu verhängnisvollen inneren Konflikten, nachdem eine tatsächlich verwirrte junge Frau sich der Gruppe anschließt. Ganz und gar originell in Stil und Struktur (dabei streng dem Dogma 95 folgend) und schockierend sowohl in seiner Mißachtung der politisch korrekten Konventionen Behinderten gegenüber, wie auch in der Darstellung von Gruppensex, riecht der Film dann doch zu sehr nach einer Theater-Werkstatt, um wirklich radikal zu provozieren.“ (Sight and Sound) Cinema, Casablanca

J

Jimmy The Kid Deutschland 1997, R: Wolfgang Dickmann, D: Herbert Knaup, Rufus Beck, Christiane Hörbiger

„Aufgedrehte Komödie um drei Gentlemen-Verbrecher im Großraum Köln. Anhand eines amerikanischen Schmökers wollen die Loser einen erfolgreichen Kidnapping-Fall nachstellen. Doch das Entführungsopfer stellt sich als gewiefte Göre heraus, die mit enormem IQ ihren Gegnern voraus ist. Ihr Schwachpunkt gibt Anlaß für die gute Botschaft des Films: Kinder brauchen Liebe.“ (tip) CinemaxX, UT-Kinocenter

K

Knockin' on Heaven's Door Deutschland 1997, R: Thomas John D: Till Schweiger, Jan Josef Liefers

„Weithin, zugegeben, ist diese Actionkomödie ein recht kumpelhaftes Abenteuer, bei dem viele freundliche Frauen immer nur kurz hereinschauen. Doch ebendiese Frauenferne bewahrt den Helden ihre Unschuld: Lausbuben sind und bleiben sie und unwiderstehlich. Aber so heiteren Herzens sieht man Kinohelden nicht alle Tage zum Himmel fahren.“ (Der Spiegel) CinemaxX

Die Konferenz der Tiere Deutschland 1969, R: Curt Linda

„Der Menschenkinder wegen beschließen die Tiere auf einer dazu einberufenen Konferenz Maßnahmen zum Schutz des Friedens und der Menschlichkeit und zwingen die Erwachsenen, diese Vorschläge zu verwirklichen. Zeichentrickfilm nach Erich Kästner, phantasievoll animiert und musikalisch gut arrangiert.“ (Lexikon des internationalen Films) Kino 46

L

Lang lebe Ned Devine Großbritannien 1998, R: Kirk Jones, D: Ian Bannen, David Kelly

„In einem kleinen Dorf im Süden Irlands stirbt Ned Devine, der Gewinner des großen Lottojackpots, vor Schreck an einem Herzschlag. Doch ist das ein Grund, daß er seinen Gewinn nicht bekommt? Seine Nachbarn fassen, angeführt von dem regen Jackie O–Shea, den Plan, dem von der Lottogesellschaft entsandten Prüfer einen Gewinner namens Ned Devine zu präsentieren. „Waking Ned Devine“ ist einer dieser raren Filme, bei dem einem endlich wieder bewußt wird, wie schön und herzerfrischend Kino sein kann. Mit seinen skurrilen Gestalten, grandiosen Gesichtern und unbezahlbarem Witz erzählt Regiseur Kirk Jones eine Geschichte aus dem Leben, voller Herz und natürlich mit einem tiefen Blick in menschliche Abgründe. Doch wer würde nicht sein Glas auf das Wohl von Ned Devine erheben, dem mehrfachen Lottomillionär?“ (TV-Spielfilm) City, Casablanca (Ol)

Das Leben ist schön Italien 1998, R: Roberto Benigni, D: Benigni, Nicoletta Braschi

„In seinem vieldiskutierten (und -prämierten) Film spielt Benigni einen lebenslustigen, jüdischen Buchhändler, der nach einigen Jahren glücklichen Familienlebens mit seinem vierjährigen Sohn in ein deutsches Vernichtungslager gebracht wird, in das ihm seine junge Frau aus freien Stücken nachfolgt. Der Vater, der sein Kind im Lager verstecken kann, redet diesem ein, das ganze sei nur ein großangelegtes Spiel, bei dem der Gewinner mit einem richtigen Panzer belohnt werde. Benignis melancholische Clownerie und das vorzügliche Spiel aller Beteiligten machen dieses ebenso bewegende wie burleske Lagermärchen zu einer hintergründigen Tragikomödie.“ (NZZ) Atlantis, Wall-Kinos (Ol)

Little Odessa USA 1994, R: James Gray, D: Tim Roth, Maximilian Schell / Originalfassung ohne Untertitel

Oma feiert ihren 80. Geburtstag, und alle Gäste sehen aus wie die Zombies aus „Die Nacht der lebendigen Toten“. Sie haben bizarre Fratzen, die zudem extrem häßlich ausgeleuchtet wurden; man erwartet ständig, daß gleich Satan persönlich aus der Cremetorte springt. Hier versucht einer auf Deibel-komm-raus, eine „klassische amerikanische Tragödie“ zu machen. Und dazu ist ihm jedes Mittel recht. Immer ist es duster, immer gucken die Schauspieler traurig aus der Wäsche. Wenn sie einmal den Mund aufmachen, klagen sie über Krankheit, Tod oder das triste Leben im Exil. Im Grunde erzählt der Film die alte Hollyoodmär „Familie meets Mafia“. Nur spielt sie diesmal nicht unter Italienern, sondern unter russischen Juden, und so gibt es für's Lokalkolorit Schwermut statt Spaghetti. „Little Odessa“ ist wie Dostojewskij im Kindergarten. (hip) Kino 46

Lulu on the Bridge USA 1998, R: Paul Auster, D: Harvey Keitel, Mira Sorvino / Originalfassung ohne Untertitel

Ganz schlimm! Nach den Erfolgen als Drehbuchautor von „Smoke“ und Co-Reggiseeur von „Blue in the Face“ wurde Schriftsteller Paul Auster tollkühn und inszenierte sein nächstes Drehbuch gleich selbst. Dabei war er so heillos überfordert, daß selbst Harvey Keitel und Vanessa Redgrave bei ihm so hölzern und blaß wie Schauspielschüler wirken. Die schlimme Überraschung ist aber, daß sogar die Dialoge, die ja eigentlich Austers Stärke sein sollten, erschreckend banal und langweilig klingen. (hip) UFA-Palast

M

Marrakesch Großbritannien/Frankreich 1998, R: Gillies MacKinnon, D: Kate Winslet, Said Taghmaoui

„Den ersten Film von Kate Winslet nach „Titanic“ hätte man sich sicher spektakulärer vorgestellt, doch das bedeutet keinesfalls, daß Winslets Wahl falsch war – ganz im Gegenteil! Die Engländerin Julia flieht Anfang der 70er Jahre mit ihren beiden Töchtern vor ihrem langweiligen Dasein nach Marrakesch. Sie will das Leben ausprobieren, sich selbst finden; wie so viele in dieser Zeit. Notorische Geldnot zwingt sie und die Mädchen zu einigem Einfallsreichtum, und als sie den Akrobaten Bilal kennenlernen, beginnt eine abenteuerliche Odyssee durchs marokkanische Hinterland. Gilloes MacKinnons Verfilmung des Romans von Esther Freud hat Charme und Herz, mit wunderschönen Bildern aus einer fremden Kultur.“ (TV-Spielfilm) City

The Mighty USA 1997, R: Elden Henson, Kieran Culkin, Sharon Stone

„Wilde Spekulationen über Imagewechsel und Karrieregift begleiteten die Produktion, schließlich gibt Sexbombe Sharon Stone hier ihr Debüt in einer Mutterrolle. Sie spielt die Mutter des hochintelligenten, aber körperbehinderten Kevin, der sich mit dem 13jährigen Max anfreundet, der das genaue Gegenteil ist: groß, stark und dumm. Ganz im Geist von König Artus' Tafelrunde verbrüdern sich die beiden und wehren sich fortan gegen hänselnde Mitschüler und halbstarke Rowdies. Schöner, sensibler und streckenweise sentimentaler Film von „Funny Bones“- Regiseur Chelsom.“ (tip) Schauburg, UT-Kinocenter, Casablanca (Ol)

N

Nachrede auf Klara Heydebreck Deutschland 1969, R: Eberhard Fechner

„In seinem ersten „reinen“ Dokumentarfilm versuchte Fechner – ausgehend von dem eher zufällig ausgewählten Selbstmord einer alten Frau –, das Leben dieser Frau zu rekonstruieren. Mit Kameramann Rudolf Körösi dreht er Tausende von Metern Filmmaterial, die er mit der Cutterin Brigitte Kirsche sichtete, zu Themenkomplexen zusamenstellte und so langsam eine geschloßene Form erarbeitete. Brigitte Kirsche wird ihren Wunschfilm in der Igelstaffel selber präsentieren.“ (Igel-Text) Kino 46

P

Patch Adams USA 1998, R: Tom Shadyac, D: Robin Williams, Monica Potter

„Sage noch einer, nur deutsche Studenten seien zu alt: Robin Williams, 46, Hollywoods wandelndes Helfersyndrom, spielt den Medizinstudenten Patch, der kranken Kindern den Clown macht und seine Professoren zum Narren hält. Aber auch die Zuschauer nimmt der Film offenbar nicht für voll: Einen kauzig-liebenswerten Gutmenschen kann Williams inzwischen auch unter Narkose spielen; seinen Auftritt hier dürften nicht einmal Fans mit Schauspielkunst verwechseln. Das Drehbuch krankt an einer Überdosis Pathos, und Kunstfehler unterlaufen offenbar nicht nur Medizinern (Regie: Tom Shadyac). Eigentlich müßte der ganze Film dringend in die Notaufnahme - wären da nicht die Kostüme: Williams' Hemden sind von so ausgesuchter Scheußlichkeit, daß es eine wahre Freude ist.“ (Der Spiegel) UT-Kinocenter

Payback USA 1999, R: Brian Helgeland, D: Mel Gibson, Gregg Henry, Maria Bello

„Der Gangster Porter (Mel Gibson) wird erst gelinkt, dann stirbt seine Frau an einer Überdosis – und ihr Mann will nur noch Rache. Diese Variation des Lee-Marvin-Thrillers „Point Blank“ schwelgt in Brutalität und Selbstironie. Spannung kommt allerdings kaum auf, denn schnell wird klar: Außer Gibson sind alle Beteiligten Idioten und werden daher umgehend erschossen.“ (Der Spiegel) Filmstudio

Pi USA 1997, R: Darren Aronofsky, D: Sean Gulette, Mark Margolis

„Das in kontrastreichem, grobkörnigem Schwarzweiß gehaltene Regiedebüt des New Yorkers Aronofsky schildert den Leidensweg eines genialistischen Mathematikers, der der Weltformel auf der Spur zu sein glaubt und dabei in die Fänge kabbalistischer Mystiker und skrupeloser Börsenspekulanten gerät. Beeindruckend ist die filmische Umsetzung der Entfremdung und ein Erlebnis ist vor allem die akustische Komponete des Films. Mit Geräuschen und synthetischer Musik bringt er den betäubenden Kopfschmerz des Getriebenen, die Euphorie und die Angst zum Ausdruck.“ (tip) City

Pleasantville USA 1998, R: Gary Ross, D: Tobey Maguire, Jefee Daniels, Joan Allen

„Pleasantville ist die idealtypische Heile-Welt-Kleinstadt aus einer amerikanischen TV-Familienserie der fünfziger Jahre, also vorbildlich adrett, zuckersüß, spießig. Und natürlich schwarz-weiß. Nun aber tragen zwei Teenager aus der Fremde den frischen Geist von Neugier, Aufbegehren und Sinnlichkeit in das keimfreie Idyll und o Wunder: In dem Maße, wie ihr Widerstand ansteckt, werden Menschen und Objekte farbig. Mit ebensoviel spielerischer Ironie wie tricktechnischer Finesse beginnt so das Regie-Erstlingswerk des geschätzten Drehbuchautors Gary Ross vergnüglich surreal zu glühen und zu blühen. Als Polit-Parabel, die den Sieg der Farbe über ein repressives Schwarz-Weiß-Weltbild wie einen Befreiungsakt feiert, übernimmt sich der Film ein wenig; als verspielte Farce jedoch bleibt er ein Glückstreffer.“ (Der Spiegel) Filmstudio

Pünktchen und Anton Deutschland 1998, R: Caroline Link, D: Elea Geissler, Max Felder, Juliane Köhler

„Mit ihrem Kino-Debüt „Jenseits der Stille“ wurde die Regisseurin Caroline Link für den Oscar nominiert. Das wird diesem Film nicht passieren. Zu niedlich die Kinderdarsteller, zu altbacken die Kästnerschen Scherze und Charaktere. Die „German Classics“ von Sat 1 lassen grüßen. Schade, denn mit den Mutterfiguren Juliane Köhler und Meret Becker beweist Link, daß sie moderne Charaktere zeichnen kann.“ (Der Spiegel) CinemaxX, UT-Kino, Wall-Kino (Ol), Schauburg, Solitaire (Westerstede)

R

The Rocky Horror Picture Show Großbritannien 1975, R: Jim Sharman, D: Tim Curry, Susan Saradon

„Die unangefochtene Königin unter den Mitternachtsfilmen, eines der merkwürdigsten Phänomene des Kinos. Über diesen Film kann man gar nicht reden, ohne auf seine Fans einzugehen. Denn diese haben ihn von einer nicht weiter aufregenden Horror-Science-Fiction-Parodie in eine legendäre, unterhaltsame Multi-Media-Show verwandelt.“ (Danny Peary) Filmstudio

Rush Hour USA 1998, R: Brett Ratner, D: Jackie Chan, Chris Tucker, Chris Penn

„Jackie Chan als Hongkonger Kripobeamter in Hollywood, der mit einem schwarzen Chaoten-Cop einen Entführungsfall löst. Der Kung-Fu-Artist wartet in der klamaukigen Actionkomödie wie gewohnt mit allerhand akrobatischen Bravournummern auf, für die Komik ist diesmal vor allem sein US-Kollege Chris Tucker zuständig, als großspuriger Maulheld mit einer noch größeren Klappe als Cassius Clay. Dabei ist die ulkige Darstellung der beiden Typen nie diffamierend, sondern zuweilen wirklich witzig, etwa wenn des komische Paar Edwin Starrs Soul -Klassiker „War“ anstimmt, bevor es in die Schlacht tänzelt.“(tip) CinemaxX, UFA-Palast, UT-Kinocenter

S

Sakikos geheimer Schatz Japan 1997, R: Shinobu Yaguchi, D: Naomi Nishida, Go Riju Taketoshi / Originalfassung mit Untertiteln

Eine junge Japanerin denkt nur ans Geld. Sie liebt es, Geldscheine zu zählen, und wenn ein Junge mit ihr ausgehen will, läßt sie sich lieber das Geld für Drinks, Kinokarten und Essen vorher in bar auszahlen. Aber viele Wege führen zur Erleuchtung, und Sahiko wird auf der Jagd nach ihrem geheimen Geldschatz ganz nebenbei eine Musterstudentin, Schwimmeisterin, Weltrekordlerin in Extrembergsteigen und weise. Denn wenn sie das Geld schließlich hat, interessiert es sie nicht mehr, und sie begibt sich flugs auf die Jagd nach dem nächsten heiligen Gral. Nach „Shall we dance“ ist dies schon wieder eine rundherum gelungene Komödie aus Japan. Regisseur Shinobu Yaguchi hat einen wunderbar anachistischen, abseitigen Humor, und am witzigsten wird der Film immer dann, wenn Sakiko ihren biederen Mitjapanern mit ihrer immer obsessiver werdenden Schatzsuche rücksichtlos durch die Konventionen flitzt. (hip) Kino 46

Schritte der Achtsamkeit Schweiz 1997, R: Thomas Lüchinger

„Der Film dokumentiert die Reise des buddhistischen Mönchs Thich Nhat Hanh durch Indien, wo er predigt und Übungen zur Selbstbesinnung demonstriert. Der im französischen Exil lebende Vietnamese lehrt eine praktische Methode der Meditation und Bewußtseinserweiterung.“ (tip) Cinema

Schwarze Katze, Weißer Kater Deutschland 1998, R: Emir Kusturica, D: Bajram Severdzan

Kann man auch aus dem Komödienstadel großes Kino machen? Bei Emir Kusturicas neuem Film fehlt scheinbar jeder politische Anspruch, jede tiefschürfende Aussage. Einen Spaß wollte er sich und seinen Zuschauern machen, und so ist hier alles auf die Lacher und pittoresken Details ausgelegt. Strenge Kritiker werfen ihm dies natürlich auch ganz schnell vor, aber warum soll Kusturica nicht mal mit all seinem filmischen Können und der Liebe zu grotesken Figuren, die ihn schon immer auszeichnete, einen Zigeunerschwank inszenieren? (hip) Filmstrudio

Schweinchen Babe in der großen Stadt USA 1998, R: George Miller, D: Babe, allerhand Viehzeug, James Cromwell

„Die Fortsetzung übertrifft das Original. Babe, das außergewöhnlich höfliche Schwein mit dem süßen, beharrlichen Auftreten, versucht in der großen Stadt Geld für die daniederliegende Hoggett Farm aufzutreiben. Dort entdeckt Babe ein Land voller Gewalt und Traurigkeit. In einem Tierhotel trifft Babe eine Zirkus-Familie von Affen, zu dem ein cooles Schimpanzsen-Paar und ein mürrischer Orang Utan gehören. Die Tiere, die mit dunkler Ironie reden, strahlen die reale Depression von langjährigen Zirkus-Akrobaten aus. Es gibt auch einen jähzornigen Terrier, dessen arthritische Hinterbeine auf Rädern laufen und eine Horte von Bulldoggen, die es auf Schweineschinken abgesehen haben. Wie sein erfolgreicher Vorläufer hat der Film übersättigte Kinderbuchfarben, aber der emotionale Grundton dieses Films ist schmerzhaft witzig, mit heftigen, zynischen und raffinierten Tupfern. Der Regisseur, George Miller, drehte meistens von unten, aus der Perspektive der kleinen Tiere.“ (New Yorker) Filmstudio

Serial Lover Frankreich 1998, R: James Huth, D: Michelle Laroque, Albert Dupontel

„Zu Beginn glaubt man sich in einer Beziehungskomödie. Gleich drei Liebhaber hat die attraktive Claire am Vorabend ihres 35. Geburtstages zum Essen eingeladen mit dem Ziel, die Anzahl aufs monogame Normalmaß zu reduzieren. Wie sich bald zeigt, bietet Claires luxuriöses Maisonette-Appartment ungeahnte Möglichkeiten zufälliger Todesursachen. Innerhalb weniger Minuten kommen die Männer auf skurrile Weise ums Leben, und das Beziehungslustspiel mutiert in eine temporeiche, schwarze Komödie. Wie „Delicatessen“ von Caro/Jeunet lebt auch „Serial Lover“ von der überschäumenden makabren Phantasie und einem surrealen Flair, daß sich vor allem in der stilisierten und farbenprächtigen Ausstattung niederschlägt.“ (Bremer) Filmstudio, Lindenhof (Wildeshausen)

Shakespeare in Love USA 1998, R: John Madden, D: Joseph Fiennes, Gwyneth Paltrow, Geoffrey Rush

Von der historischen Person Shakespeare wissen wir so gut wie gar nichts. Für seriöse Biografen ist dies natürlich fatal, aber wenn man eine wilde und komische Geschichte aus dem Leben des jungen „Will“ Shakespeare schreiben will, sind das ideale Grundvoraussetzungen. Kein neunmalkluger Akademiker kann einem peinliche Fehler nachweisen, und man kann sich aus dem Barden einen schmucken, romantischen Helden zusammenbasteln. Genau dies taten die britischen Autoren Marc Norman und Tom Stoppard. Sie sahen sich einfach die Stücke an, die von Shakespeare geschrieben wurden und fragten sich: Wie ist er wohl auf diese Idee gekommen. So erlebt er natürlich eine Liebesgeschichte (komplett mit Balkonszene, aber ohne zwei Leichen am Ende). (hip) Schauburg, CinemaxX, Ziegelhof-Kino (Ol), Lindenhof (Wildeshausen), Solitaire (Westerstede)

Still Crazy Großbritannien 1998, R: Brian Gibson, D: Stephen Rea, Bill Connolly

Die Elemente selber schienen entschieden zu haben, daß es genug ist mit der Musik und Karriere der 70er Glamrockband „Strange Fruit.“ 1977 schlägt ein Blitz bei ihrem letzten Auftritt auf der Festivalbühne ein, und die Bandmitglieder werden in alle Winde verstreut. In den 90ern aber sind plötzlich alle alten Rockheroen wieder gefragt, und Keyboarder Tony, der sein Geld damit verdient, daß er Kondome auf den Balearen verkauft, macht sich auf, um die Band wieder zusammenzubringen. Doch alle fünf Altrocker plagt ein existenzielles Zipperlein, sein es der Suff, Schulden, eine kaputte Ehe oder die (inzwischen historische) große Liebe. Und so muß Tony, die gute Seele des Films, erst all diese Konflikte lösen, bevor die Band wieder enthusiastisch gefeiert auf einer Bühne stehen kann. Zuerst sind die fünf Musiker nicht viel mehr als ein Witz - Glamrock war ja nun auch wirklich einer der Höhepunkte des schlechten Geschmacks. Aber so langsam, wie uns die Musiker ans Herz wachsen, klingt auch ihre Musik immer besser. Ein schöner, witziger, sehr optimistisch stimmender Film, zu dem sich als deutscher Alternativtitel „Je oller desto doller“ wie von selbst anbietet. (hip) UFA-Palast, Casablanca (Ol)

T

Tarot (Die Wahlverwandtschaften) Deutschland 1986, R: Rudolf Thomé, D: Vera Tschechowa, Hanns Zischler, Rüdiger Vogler

„In einem Landhaus, in das sich eine Schauspielerin und ein Filmregisseur zurückgezogen haben, um ihre Beziehung zu überdenken, kommt es zu Spannungen und Veränderungen, als ein Freund des Mannes und die Nichte der Schauspielerin eingeladen werden. In die Gegenwart übertragene Version von Goethes „Wahlverwandtschaften“. Psychologisch stimmig, mit kommentierenden Naturbildern und einem hervorragenden Schauspielteam verbindet Thomés Film eine Reflexion über moderne Paarbeziehungen und die Lebenslügen von Menschen mit einer ironischen Kommentierung des Kulturbetriebs.“ (Lexikon des internationalen Films) Kino 46

V

Vom Fliegen und anderen Träumen Großbritannien 1998, R: Paul Greengras, D: Kenneth Branagh, Helena Bonham Carter

"Richard (Kenneth Branagh) wird wegen eines Absturzes mit einem selbstgebastelten Fluggerät zu Sozialarbeit verdonnert. So lernt er die Rollstuhlfahrerin Jane (Helena Bonham Carter) kennen, die sich ans Leben klammert und von Sex träumt. Aus anfänglicher Zickerei wird Zärtlichkeit, und das ungleiche Paar trotzt einer verständnislosen Umwelt die Verwirklichung seiner Träume ab. Der Film von Paul Greengras ist so deutlich auf Mitleidsmasche und Tabubruch getrimmt, daß nicht einmal die großartige Bonham Carter eine Bauchlandung verhindern kann.“ (Der Spiegel) Gondel, Ziegelhof (Ol)

W

Waterboy USA 1998, R: Frank Coraci, D: Adam Sandler, Henry Winkler

„Bobby Boucher (Adam Sandler) hat ein bitteres Los: Das debile Muttersöhnchen wird zu Hause schikaniert und als Wasserträger einer Footballmannschaft verspottet und gequält. Durch Zufall aber entdeckt er sein sportliches Talent, wird zum Idol und Frauenhelden. Diese Klamotte spielte in den USA über 160 Millionen Dollar ein. Allerdings setzt Hauptdarsteller und Drehbuchautor Sandler eher auf die bizarre Ausstattung und Inszenierung als auf hysterische Schenkelklopfer.“ (Der Spiegel) UFA-Palast, UT-Kinocenter, Solitaire (Westerstede)

Z

Zivilprozeß USA 1998, R: Steven Zaillian, D: John Travolta, Robert Duvall

„John Travolta verklagt als Bostoner Anwalt zwei Firmen, die er für den Leukämietod von acht Kindern verantwortlich macht. Die Firmen sollen giftige Lösungsmittel in einen Fluß verklappt haben. Anfangs wittert der berechnende Karriereanwalt nur die hohe Entschädigungssumme, doch ganz allmählich wird der Fall zu einer selbstzerstörerischen Obsession. Gerichtsdrama, Umweltthriller und großes Schauspielkino, in dem Travolta und sein Gegenspieler Robert Duvall zu Hochform auflaufen“ (tip) CinemaxX, UT-Kinocenter