Ermittlungen gegen Zugabfertiger

■ Auf den Gleisen im S-Bahnhof Bellevue starb ein Mann, weil der Schaffner am Lehrter Bahnhof trotz Warnungen Zug losfahren ließ

Der Tod des 23jährigen Robert K. auf den S-Bahn-Gleisen im Bahnhof Bellevue am vergangenen Sonntag hätte möglicherweise verhindert werden können. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einen Zugabfertiger am Lehrter Bahnhof wegen fahrlässiger Tötung. Das bestätigte Justizsprecherin Michaela Blume gegenüber der taz. Weitere Details wollte sie nicht nennen.

Der Tagesspiegel hatte berichtet, daß ein 23jähriger Mann sieben Minuten auf den Gleisen des S-Bahnhofes Bellevue gelegen hatte. Eine Frau sah aus ihrem gerade vom gegenüberliegenden Bahnsteig abfahrenden Zug heraus den Mann gegen halb elf abends auf die Schienen fallen.

Robert K. war vermutlich betrunken, er torkelte stark. An der nächsten S-Bahn-Station, am Lehrter Bahnhof, stieg die Zeugin aus und alarmierte den Zugabfertiger. Dieser antwortete, daß auf dem Bahnhof Bellevue auch Personal sei und fertigte den nächsten Zug ab. Der überrollte um 22.36 Uhr im Bahnhof Bellevue den Mann, der dort immer noch auf den Schienen lag. Nach Angaben der Zeugin hatte der Abfertiger erst telefoniert, nachdem er dem Zug in Richtung Bellevue das Startsignal gegeben hatte.

Bei der S-Bahn wollte sich gestern niemand zu dem Unglück äußern. Weder dazu, ob tatsächlich eine Warnung des Zugabfertigers am Lehrter Bahnhof jenen in Bellevue erreicht hatte, noch darüber, ob beide betroffenen Zugführer vom Dienst suspendiert wurden und warum nur gegen den vom Lehrter Bahnhof ermittelt wird. „Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen“, sagte S-Bahn-Sprecher Ingo Priegnitz, „deswegen äußern wir uns nicht“.

So war es gestern auch nicht klar, warum der Zugabfertiger im S-Bahnhof Bellevue anscheinend gar nicht bemerkt hatte, daß Robert K. auf die Schienen fiel. Ein Zugabfertiger vom S-Bahnhof Friedrichstraße, der zuvor in Bellevue gearbeitet hatte, sagte gestern gegenüber der taz, daß der dortige Bahnhof „sehr unübersichtlich sei“. Außerdem würden dort am späten Abend nur wenige Fahrgäste ein- und aussteigen. „Ich vermute, daß er in seinem Häuschen gesessen und nichts mitbekommen hat“, sagte er. Der Zugabfertiger berichtete von einem ähnlichen Fall aus dem Jahr 1996. Dort hatte eine Zugabfertigerin am S-Bahnhof Mehrower Allee in Ahrensfelde einen Fahrgast auf den Schienen nicht bemerkt, weil vor ihrem Abfertigungshäuschen Pfeiler standen, die einen Teil der Schienen verdeckten. Der Fahrgast starb. Julia Naumann