Mißglückte Ämterpatronage

■  Wie ein ehemaliger Verteidigungsminister, ein Innensenator und ein Polizeipräsident einen bayerischen Beamten nach Berlin hieven wollten

Der Fall ist brisant, die Mischung explosiv. Es geht um einen Polizisten, der von Bayern wieder zurück nach Berlin will und sich dabei höchst seltsamer Methoden bedient: der Fürsprache einflußreicher Berliner Amtsträger.

Zehn Jahre lang war der 52jährige bei der Berliner Polizei mit einem ziemlich explosiven Job beschäftigt: Der Kampfmittel-Feuerwerker war Bombenentschärfer beim Institut für Polizeitechnische Untersuchung (PTU) des Landeskriminalamtes (LKA). Weil er nur Angestellter war und in Berlin nicht verbeamtet wurde, ging er 1988 nach Bayern, wo er dann auch tatsächlich aufstieg.

Statt nun weiter blauweiße Spurensuche zu betreiben, betreibt der 52jährige seit 1994 seine Rückversetzung nach Berlin, weil seine Familie ein Häuschen in Berlin bezogen hatte. Indes, seine Anträge wurden stets abgelehnt, da das PTU kein Interesse an seiner Übernahme hatte. Begründung: Der Beamte sei unfähig, sich in ein Team einzufügen. Als er sich Ende vergangenen Jahres erneut auf eine ausgeschriebene Stelle bewarb und wieder abblitzte, kam dem Entschärfer für unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen eine wahrhaft zündende Idee. Doch die Spuren, die er hinterließ, sind so auffällig, daß man im PTU von politischer Einflußnahme spricht.

Um doch noch an eine Stelle in Berlin zu kommen, schrieb der Beamte Anfang dieses Jahres einen herzerweichenden Brief an Rupert Scholz, Mitglied des Deutsches Bundestages und Bundesminister a. D., Vorsitzender des Rechtsausschusses und Vorsitzender der Landesgruppe Berlin der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion. Bevor er Scholz sein Anliegen schilderte, schmierte er ihm ordentlich Honig ums Maul. „Es klingt zwar ein wenig geschwollen, aber ich achte schon seit vielen Jahren Ihr überaus feines Gespür für Gerechtigkeit und rechtliche Feinheiten für unsere Bundesrepublik“, flötete er.

Dann erzählte er, wie „im Rahmen der Grenzöffnung und des Aufschwunges von Berlin“ seine Frau und beiden schulpflichtigen Kinder bereits wieder nach Berlin zurückzogen, weil er in Weststaaken im Rahmen des „Aufschwunges Ost“ ein eigenes Haus „und auch Heim“ aufgebaut hat. „Wir wollten ein wenig dazu beitragen, daß Berlin wieder das Zentrum Deutschlands und Europas wird, auch wenn dies nur ein klitzekleiner Beitrag sein kann“, schrieb er weiter. Außerdem beklagte der Verschmähte seine „schlechten Karten“ bei der Rückkehr nach Berlin. Deshalb bat er Scholz um „politischen Einfluß auf den Gesamt-Personal-Rat, den Haupt-Personal-Rat des LKA/ZERV und auf LKA PTU.“

Bei Rupert Scholz stießen die salbungsvollen Worte auf offene Ohren. Nach nur acht Tagen leitete der ehemalige Berliner Innensenator das Schreiben an den jetzigen Innensenator Eckart Werthebach (CDU) persönlich weiter. Damit die Angelegenheit auch in die richtigen Bahnen gelenkt wird, wandte er sich mit folgenden Worten an den Innensenator: „Ich würde Herrn [...] gerne helfen und darf Sie deshalb bitten, freundlicherweise einen Blick auf diese Angelegenheit zu verwenden“.

Werthebach war so freundlich. Zwei Wochen später schrieb er dem Polizeipräsidenten und bat um „eingehende Prüfung einer Verwendungsmöglichkeit des Beamten bei Ihrer Behörde“. Die Probleme, die der Beamte in seiner Zeit in Berlin am PTU hatte, wurden von der Innenverwaltung runtergekocht. „Da die Schwierigkeiten mit dem Beamten während seiner Tätigkeit in Berlin nunmehr 10 bis 20 Jahre zurückliegen und vermutlich einige seiner ehemaligen Kollegen und Vorgesetzten zwischenzeitlich ausgeschieden sind oder andere dienstliche Verwendungen haben, bitten wir, die Einsatzmöglichkeiten des Beamten erneut sorgfältig zu prüfen.“

Weil doppelt bekanntermaßen besser hält, legte die Innenverwaltung noch nach: „Trotz bekannter Probleme mit Herrn [...] kann ihm in den vergangenen 10 Jahren eine positive persönliche Entwicklung zugebilligt werden, die bei einer evtl. Rückversetzung im Rahmen einer Abordnung und Bewährungszeit zu überprüfen wäre. Wir bitten, das LKA entsprechend zu sensibilisieren [...].“

Auch im Hause des Polizeipräsidenten wurde umgehend reagiert. Nur zwei Tage später bekam die PTU die diversen Briefwechsel zugeschickt samt der Bitte „um Prüfung und Stellungnahme“, ob der Beamte bei einer Dienststelle des PTU eingesetzt werden kann. Dort wurde glücklicherweise die versuchte Ämterpatronage entschärft: „Ohne das angemessene persönliche Interesse eines Beamten des bayerischen LKA auf (Rück)Versetzung nach Berlin außer acht zu lassen, hat das öffentliche Interesse an einer bestmöglichen Besetzung von Planstellen der Berlliner Polizei Vorrang“, hieß es in der Antwort. B. Bollwahn de Paez Casanova