■ Filmstarts a la carte
: Think Pink!

Im Filmmuseum Potsdam bietet sich dieser Tage die seltene Gelegenheit, das eleganteste aller Filmmusicals auf der Leinwand zu sehen: Stanley Donens „Funny Face“ – ein überaus kommerzieller Experimentalfilm mit einer beeindruckenden Farbgestaltung. Wie in den meisten Musicals ist die Handlung simpel: Der Fotograf Dick Avery (Fred Astaire) nimmt die intellektuelle Buchhändlerin Jo Stockton (Audrey Hepburn) für Modeaufnahmen als Modell mit nach Paris. Obwohl sie die eitle Welt der Mode eigentlich haßt, akzeptiert sie das Angebot in der Hoffnung, in Paris einen bedeutenden Philosophieprofessor zu treffen. Daß sich selbiger sodann als Schürzenjäger herausstellt, und sie sich statt dessen in den Fotografen verliebt, beschwört natürlich einige Komplikationen herauf. Die Gegensätzlichkeit der beiden Charaktere, ihrer Berufe und Interessen verdeutlicht in „Funny Face“ vor allem die Farbgestaltung. Die Modewelt definiert sich über Helligkeit und plakative Farben: „Think Pink!“ heißt gleich die erste große Musiknummer, die vom neugestalteten Layout eines Modemagazins handelt, in dem sich alle Modelle nunmehr ganz in Rosa präsentieren – von den Schuhen über die Kleider bis hin zur Zahnpasta. Die Fotografie dieser Sequenz ist an den Stil des berühmten Modefotografen Richard Avedon angelehnt, der bei „Funny Face“ als 'visual consultant' mitarbeitete: Avedon fotografierte seine Modelle meist mitten in der Bewegung, was im Film durch das Einfrieren der Bilder verdeutlicht wird. Ganz anders sieht es in der Sphäre aus, die Jo Stockton zugewiesen wird. Ihr Buchladen in Greenwich Village wirkt düster, das Licht fällt nur durch einige kleine Fenster, die vorherrschende Farbe ist ein dunkles Braun. Und auch Jos Kleidung ist der Umgebung angepaßt: Sie trägt einen schwarzen Pullover und einen schwarzen Rock. Wie Avery und Jo am Ende zusammenfinden, auch davon erzählt die Farbe: Die beiden treffen sich in einem Park bei einer kleinen weißen Kapelle, Jo in einem weißen Brautkleid, Avery in einen strahlend weißen Regenmantel. In einem diffusen Licht lösen sich die Farben einfach auf, ein Effekt, der durch Überbelichtung und Weichzeichner noch verstärkt wird. Die vollständige Harmonie ergibt sich durch das Aufgehen aller Farben in der Nicht-Farbe Weiß.

„Funny Face – Ein süßer Fratz“ 12.5. im Filmmuseum PotsdamÜ

„Das Staunen ist die milde Form des Entsetzens“, sagt Prof. Dr. Peter Sloterdijk. Allerdings bezog er diese Äußerung vermutlich nicht auf das Programm des Central- Kinos, wo er am kommenden Sonnabend zu Gast sein wird, um mit den Zuschauern über seine Philosophie zu diskutieren. Wo man sonst gern dem Trashfilm huldigt, geht es in den nächsten zwei Wochen nämlich ungeheuer seriös zu: Jeden Nachmittag zeigt das Central bei freiem Eintritt je zwei Folgen der vom WDR produzierten Sendereihe „Philosophie heute“. Dazu gibt es gelegentlich Gespräche mit den Autoren der Sendungen oder den porträtierten Philosophen. Stellt sich nur noch die Frage, warum der von Jo Stockton verehrte Professor Flostre mit seinem Emphaticalismus gar nicht auftaucht.

Philosophie im Kino 6.5.-19.5. im Central 1; div. Gäste, am 8.5. Prof. Dr. Peter Sloterdijk

Eine kleine Filmreihe widmet sich in den kommenden Wochen dem ersten großen Horrorstar der Filmgeschichte, Lon Chaney, und seinem bevorzugten Regisseur Tod Browning. Ihr Stummfilm „The Unknown“ dürfte wohl zu den seltsamsten Werken der Filmgeschichte gehören: Ein als das „armlose Wunder“ bekannter Jahrmarktskünstler läßt sich tatsächlich die Arme amputieren, weil seine Angebetete die Berührung durch Männer nicht ertragen kann. Doch dann verliebt sie sich in einen anderen Mann...

„The Unknown“ 9.5. im Filmkunsthaus Babylon

Lars Penning