Sand im Kinderbecken

Anwohner mobilisieren gegen die Schließung des Kinderbades im Monbijoupark. Den Bäder-Betrieben ist die Sanierung jedoch zu teuer  ■   Von Christof Schaffelder und Ulrike Steglich

In Stach's Restaurant war die Atmosphäre explosiv. Es war jene Stimmung, die entsteht, wenn ein Tropfen das schon randvoll gefüllte Faß zum Überlaufen bringt. Dabei war das Faß – das Kinderbad im Monbijoupark – bis auf den letzten Tropfen leer. Und sollte auch, wenigstens in diesem Jahr, nicht mehr geöffnet werden. Die Nachricht, daß das Kinderbad in diesem Jahr geschlossen bleiben sollte, hatte die Anwohner in das Parkcafé zur Bürgerversammlung getrieben.

Erregte Eltern, zornige Großeltern und empörte Bezirkspolitiker kamen daher zu einer Bürgerversammlung in das Parkcafé. Die Eltern ermahnten ihre lärmenden Kinder nicht zur Ruhe. Sollte doch Dietmar Ranz, Vorstandsmitglied der Berliner Bäder-Betriebe, ruhig hören, wen solche Entscheidungen wirklich treffen.

Der Monbijoupark an der Oranienburger Straße in Mitte ist eine der raren Grünflächen in der Spandauer Vorstadt. Einst als repräsentativer Schloß- und Promenierpark angelegt, wurde er in den 50er Jahren zum Volkspark umgestaltet. Liegewiesen, Sport- und Spielfläche und jenes in den 60ern erbaute Kinderbad sind seither stark frequentiert. Es ist das einzige Bad Berlins ausschließlich für Kindern und deren Eltern.

Verdächtigungen wurden laut: Die nahe liegende Museumsinsel, das touristisch stark frequentierte Viertel nahe den Hackeschen Höfen, die anhaltenden Diskussionen um die Umgestaltung des Parks ließen Anwohner vermuten, aus dem Volkspark wieder einen Promenierpark machen zu wollen.

Ein Vater mit kleinem Sohn: „Die Schließung ist ein schwerer Schlag für die Familien im Kiez. Wir wohnen auf einem kalten Hinterhof, für uns ist das Schwimmbad im Sommer extrem wichtig.“ Ein aufgebrachter Großvater erinnerte an freiwillige Aufbaustunden, die er wie viele andere beim Bau des Bades geleistet hatte.

„Wir haben ganz bestimmt nichts gegen Kinder“, versicherte Dietmar Ranz von den Berliner Bäder-Betrieben. Doch im Bad sei eine aufwendige technische Sanierung notwendig, die ca. 2 Millionen Mark koste – eine Summe, die die BBB derzeit nicht aufbringen könnten. Schließlich habe der Senat die Zuschüsse gekürzt. Für die insgesamt 77 Badeanstalten stünden nur 13 Millionen Mark zur Verfügung. Im letzten Jahr habe das Kinderschwimmbad lediglich 32.000 Mark eingenommen. Diese Feststellung brachte ihm höhnische Zwischenrufe ein: Erstens sei der Sommer verregnet gewesen, zweitens seien die Eintrittspreise für das ehemals kostenlose Baden stark gestiegen. Viele Eltern zogen es daher vor, sich im Park zu sonnen, und schickten nur noch ihre Kinder ins Bad.

Ranz bestätigte einen Vorschlag der BBB, das Kinderbad zwecks „wirtschaftlicheren Betriebes“ zu einem Erwachsenenbad mit 25-Meter-Becken zu erweitern. Im gleichen Atemzug gab er jedoch zu, daß keines der 77 Bäder schwarze Zahlen schreibe und nur private Spaßbäder mit enormen Eintrittspreisen dazu in der Lage sind. Ein Erwachsenenbad lehnten sowohl Bezirksbürgermeister Joachim Zeller (CDU) als auch Baustadtrat Thomas Flierl (PDS) ab: Man könne nicht den halben Park umzäunen und Eintritt verlangen.

Ohnehin war Zeller – gleichzeitig Aufsichtsratsmitglied der BBB – verstimmt, denn die Bäder-Betriebe hatten ihn viel zu spät über die Schließung informiert. Der Bezirk hatte 1998 bereits Gelder in bauvorbereitende Maßnahmen der Sanierung investiert. Erst nach der Verschrottung der alten Anlage sei der BBB aufgefallen, daß die notwendigen Sanierungsarbeiten insgesamt rund 2 Millionen Mark kosten. Der Bürgermeister drohte: „Wenn sich im Monbijoubad nichts Spürbares in Richtung Sanierung tut, dann kündigen wir den Pachtvertrag, der ja ausdrücklich zum Betrieb eines Kinderschwimmbades abgeschlossen ist“. Das schien zu wirken. Ein neuer Entwurf des Berliner Bädergesetzes sieht vor, die bislang nur gepachteten Grundstücke in das Eigentum der Bäder-Betriebe zu überführen. Die BBB verlöre so eine attraktive Immobilie.

Man einigte sich schließlich auf einen Kompromiß: Das Wasserbecken sollte in diesem Sommer mit Sand gefüllt, Duschen sollten in Betrieb genommen, Spielgeräte und Kinderfeste organisiert werden. Eine Initiative zum Erhalt des Bades gründete sich und sammelte in kürzester Zeit 5.000 Unterschriften. Am 1. Mai sollte das Bad eröffnet werden. Doch während Bezirksamt, Bezirksverordnete, Betroffenenvertretung und Anwohner Sponsoren suchen, Spielgeräte organisieren, die Kosten eines mobilen Wasserbeckens sondieren und Kinderfeste initiieren, üben sich die BBB und die Sport- und Jugendsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) in vornehmer Zurückhaltung. Stahmer, zugleich auch Aufsichtsratsvorsitzende der BBB, wollte sich bisher nicht zur Zukunft des Bades nach 1999 äußern: Dazwischen lägen immerhin die Neuwahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus im Herbst.

Bei der Betroffenenvertretung festigte sich allmählich der Eindruck, daß „die BBB kein Interesse an einer Sanierung und der Wiedereröffnung zur Saison 2000 haben“. Die Bäder-Betriebe berufen sich darauf, daß der Wirtschaftsplan für das Jahr 2000 durch den Senat noch nicht aufgestellt sei. Da „erfahrungsgemäß von der Senatsverwaltung des öfteren unvermutet Mittel aus dem laufenden Haushalt gestrichen werden“, hieß es, könnten die BBB nichts garantieren. Stahmer indes habe im Sportausschuß keine feste Zusage für den normalen Betrieb im Jahr 2000 gegeben, berichtete ein PDS-Abgeordneter. Ein PDS-Antrag zur zügigen Sanierung des Kinderbades sei deshalb in den Hauptausschuß überwiesen worden, der Ende Mai das Kinderbad besichtigen und nach der Sommerpause über den Antrag beraten will.

Uschi Goldenbaum von der Betroffenenvertretung befürchtet, daß es den Bäder-Betrieben lediglich um eine lukrative Verwertung des Grundstückes gehe. In einem Brief an das Abgeordnetenhaus heißt es, für die Bäder-Betriebe sei „das Kinderbad aus betriebswirtschaftlicher Sicht im Vergleich mit allen Bädern an die letzte Stelle in deren Prioritätenliste gerutscht. Bei der augenblicklichen Haushaltslage besteht die Gefahr, daß als erstes dieses Kinderbad geopfert wird.“ Sie plädiert dafür, einen freien Träger für das Bad zu finden. Der Leiter des Bezirkssportamtes warnt, das Kinderbad sei nach zwei Jahren ohne Badebetrieb „politisch und technisch tot“.

Endgültig verschaukelt fühlten sich die Aktivisten, als die BBB zwei Wochen vor der geplanten Eröffnung mitteilten, das Becken werde nun doch nicht mit Sand gefüllt. Grund: Möglicherweise würde die Begehung durch die Abgeordneten zur Folge haben, daß kurzfristig doch noch Sanierungsgelder zur Verfügung gestellt würden. Statt dessen wolle man einen Bauzaun um das Becken ziehen. Bezirk und Initiative nahmen daraufhin die Sandbeschaffung selbst in die Hand: Das Bad wird nun mit leichter Verspätung am 27. Mai mit einem Kinderfest eröffnet.

Die Befürchtung einer endgültigen Schließung jedoch ist nicht ausgeräumt. Mit einem „bunten und lauten“ Umzug wollen deshalb Kinder, Eltern, Erzieherinnen und die Betroffenenvertretung heute ab 16 Uhr für die „Rettung des Bades“ demonstrieren.