Eine „ungediente“ Frau

–betr.: Zum Krieg gegen Jugoslawien

„Millennium Bug“ – seit dem Jugoslawienkrieg könnte man meinen, der „Jahrtausend-Wurm“ stecke nicht nur in der Computer-Welt, sondern auch in de richtigen: alles um 100 Jahre rückversetzt – oder sagen wir um 85. [...]

Würde mich inzwischen nicht mehr wundern, wenn ich eines morgens aufwache, das Fenster öffne und draußen marschiert zu den Klängen des Radetzky-Marschs eine preußische Pickelhauben-Kompanie vorbei. Der Leutnant zackig vorneweg, geht mit blankem Bajonett auf den langhaarigen Gitarren-Jüngling an der Ecke los, bringt ihm mit einem geschnarrten: „Hat er überhaupt gedient, er Hundsfott!“ zur Ruhe.

Die Musterungsbescheide an uns Intellektuelle, Autoren sind ja längst verschickt: Wer sich nicht rekrutieren läßt, wird automatisch der „Gysi-Brigade“ zugeordnet – „Belgrads fünfter Kolonne“, wie Kaiser, pardon Kanzler, Schröder so sicher weiß. Am taktisch besten jetzt, das Fenster weit aufzureißen – wie die Nachbarn – die Vorbeimarschierenden unten mit wildgeschwenktem Taschtentuch, frenetischem Hurra-Gebrüll seiner Fahnentreue, Vaterlandsliebe versichern. Auf den Soldaten-Tornistern Sprüche wie: „Auf einen Slibowitz ins Café ,Belgrad'!“, „Serbien muß wieder sterbien““. Mir ist bewußt, wenn ich jetzt das Fenster zumache, oute ich mich automatisch als „Friedenshetzerin“, als Kriegsverweigerin, als eine, die eins und eines vor allem bleiben will – eine „ungediente“ Frau...“ Andrea Noll, Reutlingen