■ Kommentar
: Flüchtlinge rein!  Die Weigerung, mehr vertriebene Kosovo-Albaner aufzunehmen, ist erbärmlich

Friseursalons veranstalten Benefiz-Haarschneiden, Klassenkassen werden geplündert, Veranstaltungsräume quellen über. Selbst Innenminister Schily schien dem Druck, den die deutsche Beteiligung am Kosovo-Einsatz der Nato geschaffen hat, nachgegeben zu haben: Mit den ersten 10.000 Kosovo-Vertriebenen sind im Laufe des April erstmals Menschen nach Paragraph 32 a Ausländergesetz als Bürgerkriegsflüchtlinge aufgenommen worden – ein Status, der bisher nicht einmal den Bosniern zugestanden worden war.

Die finanzielle Hauptbürde trägt dabei der Bund – ein Grund mehr, weshalb die Weigerung der unionsregierten Länder, ein weiteres Kontingent von 10.000 Kriegsflüchtlingen aufzunehmen, geradezu erbärmlich ist. Denn fest steht: Die Nato-Bombardierungen haben, unabhängig von vorherigen Plänen der Belgrader Regierung, das Ausmaß der Vertreibungen forciert. In den Jahren seit Beginn des Krieges in Ex-Jugoslawien hatte etwa ein Fünftel der kosovo-albanischen Bevölkerung die Region verlassen. Heute hält sich bestenfalls noch die Hälfte der Bewohner dort auf.

Es ist eine Tatsache, daß die größte kosovo-albanische Gemeinschaft außerhalb Jugoslawiens seit den Gastarbeiterverträgen Ende der sechziger Jahre hier in Deutschland lebt. Ist es nicht nachvollziehbar, daß sich Vertriebene auch hier, bei ihren Ehegatten, Kindern, Geschwistern und Freunden, in Sicherheit bringen wollen? Zumal wenn sich die Erstfluchtländer Makedonien und Albanien auch aus deutscher Regierungssicht täglich dem Kollaps der Aufnahme- und Versorgungsmöglichkeit nähern?

Im Unterschied zu den legalen 10.000 Bürgerkriegsflüchtlingen werden die außerhalb des Kontingents ankommenden Vertriebenen jedoch nicht als solche behandelt: Wenn eine Rückführung in einen durchreisten Drittstaat nicht durchführbar ist, erhalten sie einen kurzfristigen Duldungsstatus und unterliegen allen Beschränkungen für Asylbewerber.  Welche Gefahren der „inoffizielle“ Fluchtweg birgt, davon berichten täglich albanische Medien: Vor einigen Tagen ertrank ein zehnjähriges Mädchen bei einer Schlauchbootüberfahrt über die Adria. Nach der Beerdigung unternahm die Familie den nächsten Einreiseversuch nach Westeuropa. Clemens Hauser

Sozialarbeiter, Mitarbeiter bei Radio Dreyeckland in Freiburg und Flüchtlingsbetreuer bei der Caritas