Letztes Geld und graue Haare

■ Ex-Proficlub HSV Barmbek-Uhlenhorst steht am Sonntag vor dem Aufstieg in die Verbandsliga

Den vorigen Sonntag hätte Frank Michael Nehr am liebsten aus dem Kalender gestrichen. „Es wäre eine schöne Woche gewesen“, resümiert der Fan, der seine Kollegen bei Heimspielen des HSV Barmbek-Uhlenhorst (BU) mit Getränken versorgt. Am Donnerstag wurde Nehr Vater einer Tochter – doch dann verspielte sein Verein gegen das No-name-Team Curslack-Neuengamme den vorzeitigen Aufstieg in die Verbandsliga.

Übermorgen gibt es gegen den Bramfelder SV die zweite Chance, die mit noch mehr Zittern verbunden ist. Bei vier Punkten Vorsprung zwei Runden vor Toreschluß würde ein Sieg abermals zum Aufstieg reichen. „Die Enttäuschung vom letzten Sonntag ist schon noch groß“, kommentiert BU-Kapitän Jens Meier die Stimmung seiner Mannschaft, „aber ich denke, daß sich in unseren Köpfen etwas getan hat.“ Gegen Curslack sei „die Anspannung zu groß“ gewesen, vermutet der BU-Stürmer.

Daß BU sich einmal in der Sechstklassigkeit plagen müßte, war 1974 nicht absehbar. Der Verein qualifizierte sich damals für die neugeschaffene Zweite Liga Nord, wo immerhin Borussia Dortmund mit 1:0 bezwungen wurde. Doch am Ende der Saison stieg BU als Schlußlicht ab. Danach begann der Absturz: Vom einstigen Proficlub Nr. drei in Hamburg ist nur ein Stück Vinyl geblieben – die Platte Stars singen für BU, auf der sich neben fußballfernen Schlagern auch das Lied eines gewissen „Tony“ befindet, das mittlerweile zur Vereinshymne avancierte: „Mein letztes Geld/ geb' ich für Fußball aus/ für Barmbek-Uhlenhorst/ das ist mein Verein/ Ein Tor zum Sieg/ für Barmbek-Uhlenhorst/ und darum muß der Ball/ ins Tor des Gegners rein.“

Geschmettert wird die Hymne mit Vorliebe von einer nicht gerade zart besaiteten Fan-Gruppe, die sich selbst Barmbeker Pöbel nennt. Auf deren hohen Unterhaltungswert könnte sich die Verbandsliga beim Aufsteig BUs freuen. Bei den Referees hingegen dürfte sich die Begeisterung in Grenzen halten: Jungen Linienrichtern wird bei zweifelhaften Entscheidungen – also solchen, die gegen BU ausfallen – schon mal angedroht, sie ins Internat zurückzuschicken.

Daß es mit dem Aufstieg klappt, glauben derzeit östlich der Alster Fans wie Funktionäre. „Mit dem zweiten Aufschlag machen wir den Matchball rein“, bedient sich Obmann Volker Brumm der (gegenwärtigen) Sprache des Rothenbaums, an dem BU 1974 seine Profispiele absolvierte. „Die Spieler wissen, worum es geht“, ist Nehr auch Zweckoptimist, „wir machen's halt nochmal spannend.“ Ein Schreckgespenst wird aber nur schwer zu verjagen sein: Seit vier Jahren verspielt BU stets auf der Zielgeraden den Aufstieg. Gelingt dem Verein am Sonntag kein Sieg, und punktet die Konkurrenz, so kommt es am nächsten Wochenende zu einem Endspiel beim Uhlenhorster Nachbarn und Tabellenzweiten USC Paloma.

„Das mag ich mir gar nicht vorstellen“, bangt Astra-Verkäufer Nehr, „ich hab' schon graue Haare am Bart, ich will nicht noch ganz grau werden.“ Seine Tochter hat zwar noch gar keine Haare und wird auch erst bei BU angemeldet, wenn sie aus dem Krankenhaus kommt. Übers Internet hat sie allerdings schon Stellung bezogen: Vater Nehr gab ihre Stimme beim BiFi-Wettbewerb ab, bei dem der meistgewählte Amateurverein ein Spiel gegen Bayern München gewinnt. Sollte dies BU sein, wäre es fast schon wieder wie 1974.

Folke Havekost

HSV BU – Bramfelder SV, So, 15 Uhr, Steilshooper Straße