Insektengekrabbel im Hotel

7000 Tierarten: Naturlehrpfad auf dem Ohlsdorfer Friedhof eröffnet  ■ Von Gernot Knödler

Auf dem Ohlsdorfer Friedhof tobt das Leben. In dem mit vier Millionen Quadratmetern größten Parkfriedhof der Welt singen winzige Zaunkönige, glitzernde Stare und langschnäbelige Bekassinen; durchs Unterholz wuseln Wiesel und Hermeline und an den Teichen brüten Graugänse. 450 verschiedene Gehölze haben die Biologen registriert, 100 Vogel- und 35 Säugetierarten. Die Friedhofsverwaltung hat nun beschlossen, mit dem Pfund dieses ökologischen Potentials zu wuchern – und in Zusammenarbeit mit dem Nabu (Naturschutzbund Deutschland) einen Naturlehrpfad eingerichtet, den Umweltsenator Alexander Porschke (GAL) gestern eröffnete.

Mal spektakulär, mal weniger aufregend führt der Pfad an zufällig entstandenen und bewußt geschaffenen „Oasen des Lebens“ vorbei – zum Beispiel der stinknormalen Buche an Station vier, die 7000 Tierarten, darunter 5000 Insekten, das Leben ermöglicht. Wohl weil das ungeübte Auge der StädterIn die vielen Winzlinge leicht übersieht, haben die Friedhofsgärtner ins Geäst einen Weidenkorb gehängt, der Waldohreulen einen Brutplatz bieten soll oder auch Turmfalken und Waldkäuzen.

Das Lieblingsprojekt Uwe Westphals vom Nabu ist ein „Insektenhotel“, eine Idee, die für Hobby-Gärtner interessant sein dürfte, sofern ihnen das Gekrabbel keine Angst macht: In einen Holzrahmen mit Schilfdach wurden Baumscheiben mit Bohrlöchern, strohgefüllte Lochziegel und Röhrichtbündel gepackt – Unterkünfte für Hummeln, Wespen und Schwebfliegen. Speziell für Florfliegen gibt es eine Art rotgestrichene Obstkiste, die mit Stroh gefüllt ist.

Vor jeder Station steht ein Holzpult, wo unter Glas zu lesen ist, was eine besondere Baumart, eine Wallhecke oder das „Rätsel der neun Buchen“ auszeichnet. Letztere stehen wie Hexen im Kreis; was sie ökologisch interessant macht, zeigt sich jedoch an ihren schütteren Kronen: Sie haben nicht mehr allzulang zu leben und boten sich deswegen dem Specht zum Höhlenbau an.

Der Friedhof lade ein „zum Genießen unserer natürlichen Umwelt“, sagte Senator Porschke und gab damit Detlev Kruse von der Bürgerbewegung Klein Borstel den passenden Anknüpfungspunkt: Warum der Senat ausgerechnet einen Teil dieses ökologisch intakten Gebietes durch den Bau einer Wohnsiedlung zerstören wolle, fragte Kruse.

„Den Friedhof zu erhalten, ist auch mein Interesse“, versicherte Porschke. Allein die nicht mehr benötigte Anzuchtgärtnerei am Rande des Parks solle bebaut werden. Angesichts der unterschiedlichen Nutzungsinteressen halte er das für eine tragbare Lösung. Porschkes Parteikollege und Stadtentwicklungssenator Willfried Maier will auf dem Gelände attraktiven Wohnraum schaffen, um die Pendlerströme ins Umland einzudämmen.

Bis Ende Juni finden jeden Samstag ab 16 Uhr anderthalbstündige Führungen über den Naturlehrpfad statt.