Grüner Dreikampf um Spitzenkandidatur

■  Die Abgeordnete Ida Schillen bewirbt sich überraschend um die grüne Spitzenkandidatur. Im knappen Rennen zwischen Künast und Schreyer könnte sie Künast Stimmen wegnehmen. Kosovo-Krieg wird zur Gretchenfrage

Die grüne Parteitagsregie wird gründlich über den Haufen geworfen: Überraschend hat gestern die grüne Abgeordnete Ida Schillen erklärt, daß sie sich als Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl bewirbt. Sie wird am Samstag bei der Mitgliedervollversammlung der Grünen gegen die beiden Fraktionschefinnen Renate Künast und Michaele Schreyer antreten. Aus dem Damenduell wird ein Dreikampf.

Schillen, die im Februar erfolglos als Landesvorstandssprecherin kandidierte, werden zwar kaum Erfolgschancen eingeräumt. Doch könnte ihre Kandidatur das knappe Rennen zwischen Künast und Schreyer beeinflussen. Als Parteilinke könnte Schillen der pragmatischen Linken Renate Künast möglicherweise die entscheidenden Stimmen wegnehmen und so der Reala Michaele Schreyer zum Sieg verhelfen.

Schillen wies dies gestern zurück: „Ich nehme niemand Stimmen weg. Das ist der Mitgliederversammlung überlassen.“ Ihre Kandidatur sei „nichts Ungewöhnliches“. „Politik braucht Alternativen. Gerade in diesen Zeiten.“ Schillen sagte aber auch: „Ich möchte gerne einen sicheren Listenplatz.“ Parteiintern wurde ihre Kandidatur als taktischer Schachzug gewertet, um ihre Chancen für einen der umkämpften zwanzig aussichtsreichen Plätze zu verbessern. Ein grüner Abgeordneter bezeichnete die Kandidatur als „legitim, aber unfair“.

Schillen erklärte, sie werde als Kriegsgegnerin kandidieren. Ohnehin befürchten viele Grüne, daß der Kosovo-Krieg bei der Listenaufstellung für die Abgeordnetenhauswahl zur Gretchenfrage werden könnte. „Es ist die Frage, inwieweit der Kosovo-Krieg alles andere überlagert“, sagte gestern der Abgeordnete Wolfgang Wieland. Er sah „eine gewisse Gefahr“, daß Kriegsgegner die Haltung zum Krieg zum alleinigen Bewertungskriterium für Kandidaten machen und andere Inhalte ins Hintertreffen geraten könnten. „Es wäre schade, wenn die Fraktion nachher wie ein Schweizer Käse aussieht und nur Friedensliebe belohnt wird“, sagte Wieland. Auch andere Abgeordnete rechneten gestern damit, daß der Krieg in den Vorstellungsreden der KandidatInnen eine Rolle spielen werde. Dies hänge aber auch vom Verlauf der Landesdelegiertenversammlung am Freitag abend ab, bei der über eine Kosovo-Resolution beraten wird. Falls dort eine deutliche Mehrheit für eine befristete Waffenpause zustande komme, könnte dies den Kriegsgegnern den Wind aus den Segeln nehmen.

Zudem sprechen sich auch Kriegsgegner dagegen aus, den Kosovo-Krieg zum entscheidenden Kriterium zu machen. „Ich hoffe nicht, daß dies bei der Kandidatenaufstellung eine Rolle spielt“, sagte der Abgeordnete Dietmar Volk. „Das wäre zutiefst undemokratisch.“ Dorothee Winden