Nato und Rußland: im Prinzip einig

■  Die westlichen Außenminister und Rußland stellen „Prinzipienkatalog“ für „internationale Sicherheitspräsenz“ im Kosovo vor. UN-Weltsicherheitsrat soll gemeinsame Forderungen verabschieden

Bonn (taz) – Zum ersten Mal seit Beginn des Kosovo-Kriegs wurde gestern mit Rußland eine substantielle Vereinbarung getroffen, die Grundlage der Beendigung des Konflikts werden kann. Die Außenminister der G-8-Staaten (USA, Kanada, Japan, Rußland, Frankreich, Italien Großbritannien und Deutschland) haben sich bei ihrem gestrigen Treffen in Bonn auf einen Katalog von Prinzipien zur Beendigung der militärischen Auseinandersetzungen im Kosovo verständigt. Dabei näherte sich die russische Seite in wesentlichen Punkten den westlichen Positionen an.

Demnach wird ein „unverzügliches und nachprüfbares Ende der Gewalt und Unterdrückung im Kosovo“ angestrebt. Dazu gehört der „Rückzug militärischer, polizeilicher und paramilitärischer Kräfte aus dem Kosovo“. Es ist Konsens, daß eine „effektive zivile und Sicherheitspräsenz“ unter dem Dach der Vereinten Nationen den Frieden im Kosovo sichern soll. Sie soll, so die gemeinsame Erklärung, die Erreichung der gemeinsamen Ziele garantieren. Bislang hatte Rußland nur eine „internationale Präsenz“ im Kosovo akzeptieren wollen. Auch daß nun ein Mandat nach Kapitel VII angestrebt wird, ist als weiteres russisches Zugeständnis an die westliche Staatengruppe zu werten.

Bundesaußenminister Joschka Fischer sprach von einem wichtigen Schritt nach vorn, um zu einer Beendigung der Vertreibung und des Tötens zu kommen. Über den Charakter der Friedenstruppe wurde noch keine endgültige Einigkeit erzielt. Fischer sagte, es sei wichtig, daß man sich auf eine „zivile und Sicherheitspräsenz“ geeinigt habe. Es sei klar, daß ein solcher Einsatz nicht von Polizeikräften gemacht werden könne, sondern daß es um einen militärischen Faktor gehe. Ohne robuste militärische Präsenz werde es nicht gehen, so Fischer, „darüber sind sich alle einig“. Wie diese aussehe, müsse jetzt diskutiert werden.

Der britische Außenminister Robin Cook wurde präziser: Die Sicherheitspräsenz müsse die Rückführung der Flüchtlinge gewährleisten, deshalb „werden auch Nato-Truppen enthalten sein“. Über Details werde noch zu verhandeln sein. Die Verhandlungen werden sich vor allem um den Anteil der Nato an der Friedenstruppe drehen. Dem Vernehmen nach besteht die Nato auf einer einheitlichen Kommandostruktur, bei der sie den Kern stellt. Serbien hat sich bislang strikt gegen eine Teilhabe der Nato an solch einer Friedenstruppe ausgesprochen. Rußland wollte bislang einer UN-Resolution nur zustimmen, wenn auch die serbische Seite das Ergebnis akzeptiert. Der russische Außenminister Iwanow erklärte , man habe Prinzipien diskutiert, die Realisierung erfordere „Übereinstimmung mit allen Parteien“. Die politischen Direktoren der G-8-Staaten haben nun den Auftrag, eine Resolution des Sicherheitsrates nach Kapitel VII vorzubereiten.

Die deutsche Regierung wird als Vorsitzende der G-8 die chinesische Regierung über die Ergebnisse der Sitzung informieren. Bundeskanzler Schröder wird kommende Woche nach Peking reisen. China hatte gegen die Luftangriffe gleichermaßen ein Veto eingelegt. Die politischen Direktoren sollen einen „Fahrplan zu den weiteren Schritten für eine politische Lösung der Kosovo-Krise ausarbeiten. Dazu gehört die Ausgestaltung einer vom Sicherheitsrat zu beschließenden Übergangsverwaltung für das Kosovo, „um die Bedingungen für ein friedliches und normales Leben für alle Einwohner im Kosovo sicherzustellen“. Es soll weiterhin eine „Übergangsrahmenvereinbarung“ erarbeitet werden, „die eine substantielle Selbstverwaltung für das Kosovo vorsieht, unter voller Berücksichtigung des Rambouillet-Abkommens und der Prinzipien der Souveränität und territorialen Unversehrtheit der Bundesrepublik Jugoslawien und der anderen Länder der Region“. Zugleich ist die Demilitarisierung der UÇK beabsichtigt.

Der italienische Außenminister Dini berichtete, daß der kosovarische Oppositionsführer Rugova, der vorgestern überraschend nach Italien ausreisen durfte, sich den Prinzipien von Rambouillet anschließen könne und deshalb nun hilfreich sein könne. Fischer erklärte, „die dramatische Situation verpflichtet uns zu einer schnellen Umsetzung der Grundsätze“. Allerdings wies er auch darauf hin, daß es nach wie vor „unterschiedliche Auffassungen“ über die Unterbrechung der Bombardements gebe. Die Nato besteht bislang auf einem verifizierbaren Beginn des Rückzuges der serbischen Truppen, bevor sie zu einer Feuerpause bereit ist. Gleichzeitig forderte US-Präsident Bill Clinton die Nato-Staaten dazu auf, im Kosovo-Konflikt durchzuhalten und Geduld zu haben.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am abend erklärten Clinton und Bundeskanzler Schröder, die G-8-Vereinbarungen seien ein „substantieller Fortschritt“ in Richtung einer Friedenslösung im Kosovo. „Gerade jetzt besteht aber kein Anlaß, die Strategie der Nato zu ändern“, sagte Schröder. Gerade jetzt bestehe kein Anlaß, die Luftangriffe gegen Jugoslawien zu beenden. Der US-Präsident erklärte: „Ich glaube, es ist ein wirklicher Friedensprozeß“. Dies sei jedoch nur mit der Nato durchzusetzen. Clinton erklärte, er hoffe, daß es nun zu einer Resolution des UN-Sicherheitsrats komme. Mit dem Gespräch im Kanzleramt beendete der US-Präsident seinen Besuch in Deutschland. Dieter Rulff