Überhol die Renaissance

■ Der Jazzdrummer Bobby Previte spielte mit einer Band der Bandleader im KITO

„Bump the Renaissance“ nennt Bobby Previte sein Bandprojekt. Wie keck dieses Motto ist, wird klar, wenn man erfährt, daß „bump“ nicht nur mit „anstoßen“ zu übersetzen ist, sondern unter Ruderern auch „überholen“ heißt. Für solch ein epochales Unterfangen holt man sich die besten Mitspieler, die man bekommen kann, und Bobby Previte ist mit diesem Projekt schon deshalb ein Treffer gelungen, weil er eine Band zusammenstellen konnte, die nur aus renommierten Bandleadern besteht. Ray Anderson, Marty Ehrlich, Wayne Horvitz, Steve Swallow – Jazzfans läuft bei diesem Namen schon das Wasser im Munde zusammen. Wenn sie nur halbwegs zusammenhängend auf dem geringsten gemeinsamen Nenner Musik machen würden, wobei jeder sportlich fair versuchen würde, den anderen die Show zu stehlen – solch ein Jazz-Summit würde schon genügen. Aber „Bump the Renaissance“ bot weit mehr, denn die fünf spielten tatsächlich wunderbar miteinander, und das Programm war so vielseitig und originell, daß der Bandname durchaus angemessen war.

Man kann darüber steiten, ob Bobby Previte ein besserer Schlagzeuger oder Komponist war, denn bei aller solistischer Originalität waren es letztlich doch die Stücke und Arrangements, die dies zu einem außergewöhnlichen Konzert werden ließen. Da hatte man nie das Gefühl, daß die Kompositionen nur Ausgangspunkte für Improvisationen waren – jedes Solo war geschickt eingebettet in ein genau durchdachtes Arrangement, und die Stücke waren jeweils so unterschiedlich und reich an dramaturgischen Wendungen, daß man ständig wieder überrascht und unter Spannung gehalten wurde. Gleich die erste Komposition war konstruiert wie eine Jazzvariation von Ravels Bolero: Die gleiche Melodie wurde wie in Trance ständig wiederholt, langsam dynamisch gesteigert, und nur Wayne Horvitz spielte auf dem Piano einige Verzierungen, die nicht auf den Notenblättern notiert waren. Bei einem anderen Stück ließen Horvitz und Previte ein diffuses Klangfeld entstehen, über dem Steve Swallow auf dem E-Baß eine melodische Improvisation spielte, die wie eine Erlösung aus der Apathie wirkte. So waren alle Stücke äußerst raffiniert, nie genau einem Stil oder einer Epoche zuzuordnen und melodisch extrem einfallsreich.

Und genauso gerne, wie das Publikum im KITO sich diese sehr kulinarischen Kompositionen anhörte, spielten sie offensichtlich auch die Musiker. Es herrschte eine zugleich sehr konzentrierte und ausgelassene Stimmung auf der Bühne. Keiner von diesen Jazzgrößen hatte es nötig, den anderen und dem Publikum noch irgend etwas zu beweisen, und so improvisierten sie durchweg inspirierte Soli. Dies war eines der spannendsten Jazzkonzerte der letzten Zeit. Hoffentlich kommen Previte und seine Mitspieler im nächsten Jahr wieder – etwa mit einem Projekt „Bump the Postmoderne“. Wilfried Hippen