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Im Fummel zum Selbst

Maskeraden ohne Ende: Fetting satt in Berlin zum 50. Geburtstag des „jungen Wilden“ Rainer Fetting  ■   Von Katrin Bettina Müller

Auch „junge Wilde“ werden einmal fünfzig. Der Maler Rainer Fetting, der zu den bekanntesten Exportartikeln der Kunst made in Berlin gehört, erhält gleich vier Ausstellungen und eine Fälschung zum runden Geburtstag. Der Neue Berliner Kunstverein zeigt einen Querschnitt aus den über hundert Selbstporträts des fleißigen Rollenspielers, die Galerie Tammen & Busch stellt seine Fotografien vor, und Michael Schultz lädt mit einem Bild der Kräne am Potsdamer Platz zu einer Retrospektive des Malers ein, der Hochbahnen, Mauer und Fernsehturm zu Ikonen der Berliner Stadtlandschaft erhob.

Ingrid Raab, die 1979 als erste Galeristin bei den Jungs vom Moritzplatz zugriff, ließ sich eine Fetting-Ausstellung ebensowenig entgehen wie der unbekannte Maler Piotr-Mariusz Urbaniak, der seine eigenen Werke in der Galerie „Zwei Stunden Voraus“ einfach „Rainer Fetting Autogene Portraits“ nennt. Schließlich maskiert sich Fetting in seinen Portraits ja auch als van Gogh, Rembrandt oder Prinzessin von Velazquez.

Die Geschichte der Selbstbildnisse in der NBK beginnt 1973: Da hat sich Fetting in der Hochschule gemalt, schlaksig an der Heizung lehnend, die Unsicherheit über die eigene Position in die Malbewegung hineingenommen. Sehr schnell wurde die Rückkehr zur Figur als Programm verstanden. Doppelporträts mit den Freunden Salomé, Middendorf und Castelli dokumentieren das erfolgreiche Selbsthilfeprojekt der Maler, die am Moritzplatz ihre eigene Galerie gründeten. „Selbst im Fummel“ und „Selbst mit roten Lippen“ von 1977 waren nicht nur homosexuelle Bekenntnisse, sondern mehr noch Ironisierungen der Posen des Heldenhaften ebenso wie des Weiblichen. Die Malweise, flüssig und flüchtig, paßte zum schnellen Rollenwechsel. In karnevalesken Maskeraden verschmolzen Kunst und Leben. Später malte sich Fetting, der seit den 80er Jahren zwischen Berlin und New York pendelt, als Indianer oder schwarzer Akrobat auf dem Hochseil über Manhattan.

Von der Malerei auf der anderen Seite der Mauer war Fettings Figürlichkeit in den 80er Jahren von der Malerei hinter der Mauer gar nicht so weit entfernt, wie in Berlin West behauptet wurde. Seine letzte große Ausstellung in Berlin wurde 1990 vom Zentrum für Kunstausstellungen der DDR eingerichtet. Rainer Fetting: „Selbstportraits 1973–1998“, bis 20. 6., Di. bis Fr. 12–18, Sa./So. 12–16 Uhr, Chausseestr. 128 „Fotografien“, bis 20. 6., Di.–Fr. 13–18, Sa. 11–14, So. 15–18 Uhr, Galerie Tammen & Busch, Fidicinstr. 40 Galerie Michael Schultz, Eröffnung: 12. Mai, 19 Uhr; bis 26. 6. Di.–Fr. 14–19, Sa. 10–14 Uhr, Mommsenstr. 34 Raab Galerie, bis 12. 6., Mo. bis Fr. 10–19, Sa. 10–16 Uhr, Potsdamer Straße 58

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