Judgement for Windows

■ 50 Jahre Grundgesetz: Allerhöchste Zeit für eine zeitgemäße Erneuerung

120.000mal, liebe Bürgerinnen und Bürger – 120.000mal seit Bestehen des Grundgesetzes wurde das Bundesverfassungsgericht angerufen. Wenn Sie mal bedenken, daß das Verfassungsgericht am Wochenende nicht arbeitet und in den Ferien genau wie der Souverän – der sind übrigens Sie – nach Holland fährt oder in die Deutsche Dominikanische Republik, erhalten die Richter 9,6 Anrufe täglich. 1,2 pro Stunde bei 8 Stunden Arbeitszeit.

Jetzt wollen wir wissen: 1.: Wer ruft an und 2.: Warum? Erstens ist ganz einfach: Anrufen tut der Souverän, also Sie, aber – das wissen Sie selbst, Sie haben ja noch nicht wirklich selbst da angerufen – nicht Sie persönlich, sondern ein von Ihnen gewählter Auftragsdienst. Also zum Beispiel ein Bundestagsabgeordneter, ein Vertriebenenfunktionär, ein Hundezuchtverbandsvorsitzender – so was in der Art. Wir merken uns also: Sie wählen – er ruft an.

Zweitens: Warum? Weil das Grundgesetz nicht stimmt. Das Grundgesetz taugt nicht die Bohne. Jetzt schleppen wir es schon 50 Jahre mit uns rum, lassen dauernd anrufen, damit es besser wird, aber es wird und wird nicht. Wie kommt das? Das kommt, weil der Bürger nie gefragt wurde, wie er es denn gerne hätte. 49 mußte eben so'n Ding her. Die andern hatten auch alle so was und waren der Meinung, es könnte helfen, aus Deutschland ansatzweise so etwas Ähnliches zu machen wie einen zivilisierten Staat. Also zumindest zu drei Vierteln – das vierte Törtchen hatte sich ja der barbarische Iwan in den Wanst gewürgt.

Das wäre der richtige Zeitpunkt gewesen. 1949 hätte man das freie, demokratische deutsche Volk fragen müssen, wie das Grundgesetz aussehen soll. Das Volk war in einer blendenden Verfassung. Alle Nazis waren weg. Damals hätte man es fragen sollen. Dann wär alles besser geworden. So wie immer alles besser wird, wenn man das Volk befragt. Die Todesstrafe wäre doch längst kein Thema mehr, und wenn man was gegen die Überfremdung hätte, müßte man nicht erst bei der CDU am Tapeziertisch unterschreiben gehen.

Kein Wunder also, daß das Volk in Karlsruhe anrufen läßt. 50 Jahre Grundgesetz und von Anfang an nicht das Papier wert, auf dem es geschrieben wurde. Hätte es sonst dauernd geändert werden müssen? Da waren doch eindeutig Pfuscher am Werk, denen das zwölfjährige Reich den gesunden Menschenverstand aus der Hirse gehitlert hatte. Bei denen hatte doch die Regression direkt nach der Machtübergabe eingesetzt. Weinen nach Weimar. Jammerlappen ohne jede Vision. Ewigvorgestrige.

Nicht die Spur von Utopie. Die Realität war immer schneller. Schon fünf Jahre nach seiner Erfindung mußte das Grundgesetz das erste Mal gründlich renoviert werden. „Nie wieder Wiederbewaffnung“ stand drin. Was für ein Unsinn. Das wissen wir spätestens jetzt. 50 Jahre Nato. Und die Jubiläumsfeierlichkeiten mit Bombenbeteiligung der Deutschen. Grundgesetz: „Auslandseinsätze verboten!“ Ja und? Sollen wir uns nach einer Gesetzesvorschrift richten, die Deutschland an seiner Zivilisationswerdung hindert? Das wäre ja geradezu fatal! Das Grundgesetz als stärkste antidemokratische Instanz? Brauchen wir also ein neues Grundgesetz?

Eine verschwiemelte Minderheit meint, wir bräuchten es allein deswegen, weil der Iwan das vierte Törtchenviertel wieder ausgewürgt und zurückgegeben hat. Deswegen müsse sich das freie deutsche Gesamtvolk sowieso komplett neu verfassen. Das allerdings ist Quatsch mit Soße. Die Ausgewürgten haben doch genau das gekriegt, was sie wollten: Soße eben. Daß sie der Quatsch sind, hätte man ihnen vielleicht vorher etwas deutlicher sagen sollen.

Wie aber das Grundgesetz auf den neuesten Stand bringen, es modernisieren? Die Antwort heißt: Software! Die Wirklichkeit ist derartig rasant, da kommen wir mit den alten Methoden einfach nicht nach. Parlamentarische Beratungen – Gesetzesvorlagen – Bundestag – Bundesrat – das zieht sich wie Schnott. Und wenn es endlich auf dem Stand von 1999 ist, haben wir längst 2010.

Warum also nicht ein benutzerfreundliches, anwenderdefiniertes Computerprogramm, das täglich upgedatet wird. „State Constitution 99. Grundgesetz for Windows.“ Das Volk sitzt am Rechner, und am anderen Ende der Datenleitung sitzen keine komisch verkleideten und mürrischen Verfassungrechtler am Richtertisch, sondern preiswerte studentische Hilfskräfte im Call-Center. Und wenn dann zum Beispiel die Bundeswehr an Nato-Einsätzen im Ausland teilnimmt, ruft man da an und fragt nach, wo man sich die den derzeitigen Realitäten angepaßten Verfassungsartikel auf die Festplatte runterladen kann. Online-Judgement by Microsoft. Nach jedem Update einfach drauf mit der Maus und den alten Schrott wegklicken. Mehr als abstürzen kann dieses System auch nicht.

Fritz Eckenga