Krieg , Frieden – Chaos ist immer

■ Verspätungen auf dem Frankfurter Rhein-Main-Flughafen sind trotz Kosovo-Einsatz nur der ganz normale Alltag. 100 Militärflüge pro Tag.

Frankfurt (taz) – Terminal 1 – Ankunftshalle des Rhein-Main-Flughafens: Am Meeting Point betrinkt sich langsam, aber stetig ein Italiener. Seine Freundin sollte um 7.40 Uhr aus New York landen und ist mittags immer noch nicht da. Das geht hier alles seinen ganz normalen Gang, sagen diejenigen, die hier für ihre Firmen und Hotels täglich Besucher abholen müssen. Die Verspätungen seien, Krieg hin, Kosovo her, kaum mehr geworden als sonst auch auf Europas zweitgrößtem Passagierflughafen.

Die Iberia macht Ärger wie immer. Reihenweise fallen Flüge aus oder kommen Stunden später an. Daran haben sich das Frankfurter Bodenpersonal und die Passagiere längst gewöhnt.

In der Abflughalle sind fast alle Flieger als pünktlich startbereit angezeigt. Diejenigen Fluggesellschaften, die die gesperrten Luftkorridore auf dem Balkan umfliegen müssen, haben sich darauf eingestellt. Turkish Airlines sagt freundlich, aber bestimmt, sie hätten bisher überhaupt keine Verspätungen. Die griechische Olympic Airways räumt eine 20 Minuten längere Flugzeit ein. Unsichere Kandidaten bleiben die Flughäfen in Sarajewo und Tirana, in den letzten vier Wochen geöffnet, geschlossen, wieder geöffnet und auf Anweisung der Nato aus Sicherheitsgründen wieder geschlossen.

Wochenlang warnten Fluggesellschaften und -vereinigungen immer wieder vor einer kriegsbedingten „Katastrophe“ im Flugverkehr. Rhein-Main sei, wetterte Lufthansa-Chef (LH) Jürgen Weber Ende April, „zum Militärflughafen“ verkommen. Die Frankfurter Flughafen AG (FAG) reagierte gereizt und betonte, daß die Pünktlichkeit im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sei und „weitgehend Normalbetrieb“ herrsche. Seither, so der Leiter der Presseabteilung der Lufthansa (LH), Thomas Jachnow, ist das Thema „en vogue“. Die Luftfahrtunternehmen nutzten die kriegsbedingte öffentliche Aufmerksamkeit.

Weber ergänzte seine Philippika um die Kritik an mangelnder europäischer Flugkoordination und den dringenden Appell zum Ausbau von Rhein-Main. Er bekam Schützenhilfe von der Association of European Airlines (AEA). Deren Generalsekretär Karl-Heinz Neumeister zählte eine Verdoppelung der Verspätungen im Jahr 1999 auf allen europäischen Airports. Das Durcheinander werde von 31 nationalen Behörden mit 49 Flugsicherungssystemen verursacht. Er machte als Schuldige vor allem Spanien und Frankreich aus. Die Kosovo-Krise werde zum Beginn der Urlaubssaison erschwerend dazu kommen und „ein Chaos“ verursachen. Die Verspätungen, prognostizierte er, werden von 22 Prozent auf ein Drittel steigen.

Tatsächlich starten und landen in Frankfurt täglich nur zwischen 60 und 100 US-amerikanische Militärmaschinen, die meisten spätabends und nachts. Bei 1.100 Flugbewegungen, so Thomas Jachnow, komme der Kosovo „nur obendrauf“. In Kombination mit den vorhandenen Engpässen, aber werde „die Luft immer dünner.“

Daß die FAG das Genörgel der Fluggesellschaften in den letzten Wochen herunterspielte, ist verständlich. Es störte die längst laufendenVerhandlungen über den Abzug der US-Army aus Frankfurt.

Auf der Besucherterrasse des Flughafens hält sich das Interesse des Publikums für den Kosovo-Krieg in Grenzen. Die drei gigantischen Galaxies, die mit ihren hängenden Flügeln aussehen wie grimmige Riesentermiten, und die knapp 40 feldgrauen, dreistrahligen DC 10 und Boing 747 langweilen auch die Schaulustigsten schnell. Daß das da Militärflugzeuge seien, die Raketen abschießen, hatten der sechsjährige Timo und sein dreijähriger Bruder Dominik vor ihrem Ausflug ins Freizeitvergnügen erzählt bekommen. Und nun nur stundenlang Herumgerolle. Dominik mault: „Da teine Rateten da!“ Heide Platen