„Ich finde solche Vorwürfe völlig falsch“

■  Baden-Württembergs Innenminister Schäuble (CDU) verteidigt die deutsche Entscheidung, vorerst nur 5.000 weitere Flüchtlinge aufzunehmen

taz: Laut UNHCR sind seit Beginn der Nato-Luftangriffe 795.000 Kosovo-Albaner auf der Flucht. Nach langem Ringen haben die Innenminister von Bund und Ländern jetzt beschlossen, 5.000 Menschen aufzunehmen. Später sollen höchstens noch mal 5.000 folgen dürfen. Kommen Sie sich nicht kleinlich vor?

Thomas Schäuble: Nein. Außer den relativ wenigen Kontingent-Flüchtlingen sind in Deutschland ja schon 300.000 Kosovo-Albaner da. Das betrifft etwa abgelehnte Asylbewerber oder diejenigen, die schon vor dem Krieg illegal eingereist sind. Beide Gruppen werden derzeit geduldet. Außerdem kommen fortlaufend neue Menschen dazu, die illegal einreisen oder jedenfalls nicht eingeladen sind. Deutschland hat nach Albanien die meisten Flüchtlinge aus dem Kosovo.

Mit den 795.000 Menschen, die seit März vertrieben wurden, hat diese Gruppe aber nichts zu tun.

Doch, denn der Krieg ist ja notwendig geworden, weil Miloevic und die Serben sich so furchtbar gegenüber den Menschen im Kosovo verhalten haben. Deshalb sind schon vor Kriegsbeginn soviele von ihnen nach Deutschland gekommen.

Trotzdem wird mit zweierlei Maß gemessen: Die Luftangriffe werden mit der Ausnahmesituation im Kosovo gerechtfertigt. Bei der Aufnahme von Flüchtlingen wird hingegen nach dem Standardschema verfahren – so wenige wie möglich, so spät wie möglich, so kurz wie möglich.

Bei der Schaltkonferenz der Innenminister waren wir uns gestern einig, daß Makedonien nicht immer noch mehr Flüchtlinge aufnehmen kann. Da muß man sozusagen Dampf aus dem Kessel lassen, um eine größere Katastrophe zu vermeiden. Aber es ist ja klar, daß wir Deutschen allein das Problem nicht lösen können, selbst wenn wir ein viel größeres Kontingent aufnehmen würden. Wir müssen also in einer ganz schwierigen Gratwanderung versuchen, einerseits den Menschen zu helfen und andererseits unsere europäischen Partner ermuntern, sich nicht entspannt zurückzulehnen.

Wie wollen Sie das erreichen?

5.000 dürfen jetzt sofort kommen. Das ist nicht nur ein humanitärer Beitrag, da sind die 5.000 in der Tat keine große Zahl. Wir machen damit aber zugleich den anderen Staaten deutlich: Deutschland geht mit gutem Beispiel voran. Folgerichtig ist auch, den Druck auf die anderen EU-Staaten zu erhöhen. Dabei muß der Bundesinnenminister jetzt mindestens so vehement auf die EU-Staaten einwirken, wie er gestern auf die Bundesländer eingewirkt hat. Deshalb haben wir gesagt, die zweiten 5.000 dürfen erst kommen, wenn die EU-Staaten reagieren. Dabei geht es nicht darum, daß sie weitere Zusagen machen, sondern überhaupt mal ihre bisherigen Zusagen erfüllen.

Mit der Einreisesperre für die zweiten 5.000 setzen Sie diese Flüchtlinge als politisches Druckmittel gegenüber den EU-Staaten ein.

Ich finde solche Vorwürfe völlig falsch. Sie werden damit unsere Bevölkerung, die in ihrer großen Mehrheit sehr hilfsbereit ist, verärgern. Schon im Fall der bosnischen Flüchtlinge vor einigen Jahren haben wir ein Vielfaches von dem getan, was andere Länder tun.

Anders als im Bosnien-Konflikt ist diesmal die Bundesrepublik zentral an der militärischen Auseinandersetzung beteiligt. Müßte da nicht die Politik für die großzügigere Aufnahme von Flüchtlingen werben?

Der Beitrag, den wir mit der Bundeswehr leisten, ist ja nicht ein Vergnügen, für das wir eine Gegenleistung bringen müßten. Wenn ich daran denke, daß auch unserer ältester Sohn, der ausgebildeter Gebirgsjäger ist, theoretisch zum Einsatz kommen könnte, dann ist das doch ein Opfer.

Interview: Patrik Schwarz