Chinas Führung will wieder mitreden

■ Peking signalisiert einen vorsichtigen Kurswechsel in seiner Haltung zum Kosovo-Konflikt. Staatliche Medien berichten verstärkt über das Schicksal der Flüchtlinge

Und der Drache bewegt sich doch. Wenige Wochen nachdem Peking dem Westen signalisiert hatte, ein UNO-Mandat für Nato-Angriffe auf Jugoslawien werde am chinesischen Vetorecht scheitern, überdenkt Peking seine außenpolitische Haltung. Deutliches Anzeichen dafür war gestern die vorsichtige Reaktion auf die Ergebnisse der G-8-Außenministerkonferenz in Bonn. China habe den Prinzipienkatalog der G8 für eine Friedenslösung im Kosovo „zur Kennntis genommen“, sagte eine hohe chinesische Diplomatin. Sie hoffe nun auf eine rasche politische Lösung des Konflikts unter Einbeziehung Jugoslawiens.

Damit war angedeutet, daß sich China als Ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat nicht auf die Schmollbank zurückziehen würde, falls sich die westlichen Ratsmitglieder mit Rußland auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Wer in den ersten Kriegswochen der chinesischen Propaganda für einen angeblich hilflosen Miloevic gefolgt war, mußte ein Einlenken Pekings im Weltsicherheitsrat nicht für selbstverständlich halten.

Allerdings hatte China trotz öffentlicher Verurteilungen der Nato-Angriffe stets zweideutige Signale zum Kosovo-Konflikt abgegeben. Schon als kurz nach Kriegsbeginn der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Hans-Ulrich Klose (SPD), in Peking weilte, hatte er eine „Nachdenklichkeit“ der chinesischen Führung festgestellt. Zwar gibt es überall die Sorge, daß sich in Jugoslawien eine aggressive US-Geostrategie manifestiere, mit der man bald auch in Taiwan oder Nord-Korea zu tun haben könne. Andererseits aber will Peking mit aller Macht den UNO-Prozeß wiederbeleben, ohne den China bei wichtigen Verhandlungen vor der Tür steht. Außerdem spielt auch Chinas Verhältnis zu den islamischen Nachbarstaaten im Westen eine Rolle, die bisher das Eingreifen der Nato auf seiten der muslimischen Kosovo-Albaner begrüßen. Peking ist die Sympathie der islamischen Staaten wichtiger als die von Miloevic.

Neben solchen strategischen Erwägungen mag die bisherige Erfolglosigkeit der Nato ein Grund sein, weshalb inzwischen auch Chinas Medien differenzierter über den Krieg berichten. Da man nicht von der gelungenen Befreiung der Kosovo-Albaner durch die Nato berichten muß, ist es inzwischen erlaubt, im Staatsfernsehen anteilnehmend über das Schicksal der Flüchtlinge zu berichten. „Unsere Grundposition war immer, daß die internationale Gemeinschaft in Bürgerkriege nicht mit militärischen Mitteln eingreifen darf, weil diese keinen Erfolg versprechen“, betonten Pekinger Diplomaten immer wieder in den vergangenen Wochen, doch schienen sie sich dabei – schon aus Unkennntnis der Balkanlage – ihrer selbst oft nicht sicher zu sein. Je länger der Krieg dauert, desto mehr fühlen sie sich in ihrer Ausgangsposition bestätigt. Vielleicht ist das der Grund, weshalb jetzt wieder mit einem selbstbewußten Auftreten der Volksrepublik im Weltsicherheitsrat zu rechnen ist. Georg Blume, Peking